28.07.2012

Buchtipp: Terrorismus als symbolisches Phänomen


In der Reihe „Bamberger Studien zu Literatur, Kultur und Medien“ ist neu der Sammelband
Die Gewalt der Zeichen. Terrorismus als symbolisches Phänomen, herausgegeben von Stefan Bronner und Hans-Joachim Schott, erschienen. Ausgangspunkt ist die interdisziplinäre Tagung zum Phänomen des symbolischen Terrorismus, die am 13. u. 14.11.2010 an der Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften der Otto-Friedrich-Universität Bamberg stattfand.

Zum Inhalt heißt es:
„Seit der radikalen Änderung der weltpolitischen Lage durch das Selbstmordattentat islamistischer Terroristen auf die Supermacht U.S.A. am 11.9.01 versucht die Weltöffentlichkeit, dem Phänomen des Terrorismus durch die verschiedensten Erklärungsstrategien Herr zu werden. Man führt den Kampf der Kulturen oder Religionen an, verweist auf die Ausbeutung der Peripherie des kapitalistischen Weltsystems durch den Hegemon U.S.A. oder pathologisiert bzw. dämonisiert die Taten der Terroristen. Uns scheinen diese Erklärungsstrategien den Machtkonstellationen der postmodernen Gesellschaften nicht gerecht zu werden, da sie ein zentrales soziales Phänomen der vergangenen Jahrzehnte nicht beachten: das Unbehagen an der pluralistischen Gesellschaft und der konsensuell-repräsentativen Demokratie. Um dieses Unbehagen angemessen beschreiben zu können, wollen wir uns ihm aus einer zeichentheoretischen Perspektive nähern, die soziale Formationen nicht durch (kooperative) Arbeit determiniert sieht, sondern durch die Instanz des Codes. Für Jean Baudrillard ist die Wahl des Ziels der beiden Türme bedeutend, die sich wechselseitig reflektieren und das System nach allen Seiten hin abschließen. Mit ihnen wurde das neuralgische Zentrum des Systems getroffen, das sich auf einem binären Code gründet. Die Twintowers bedeuteten nicht nur das Ende jedweder originalen Referenz, sondern auch den Abschluss des Bezeichneten durch die Wiederholung des Zeichens. Der Code führt eine symbolische Verteilung der gesellschaftlichen Körper durch und zielt auf eine möglichst genaue Übereinstimmung der Gemeinschaft mit sich selbst gemäß eines arithmetischen und geometrischen Kalküls. Die integrative Kraft dieses auf dem Identitätsprinzip basierenden Systems scheint immer häufiger nicht mehr in der Lage zu sein, das negative Potential antagonistischer Strategien binden zu können, die in Form von zivilem Ungehorsam, Politik von Minoritäten oder terroristischen Akten die symbolische Ordnung der westlichen Gesellschaften unterhöhlen. In diesem Tagungsband diskutieren wir das Ausmaß der Krise der konsensuellen Demokratie und ihrer Institutionen.“

Beiträge des Bandes befassen sich mit „symboltheoretischen Ansätzen der Terrorforschung“ (Bronner, Schott), bieten eine „Textanalyse zu Terrorismus-Darstellungen in der deutschen Boulevardpresse“ (Christian Schütte, Siegen) oder „Sprachlicher Gewalt in der Boulevardpresse und ihre Folgen am Beispiel von Heinrich Bölls Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ (Karen Juliane Wiedmann, Bamberg). Martin Rehfeldt (Bamberg) widmet sich der Funktion von RAF-Bezügen in der Popkultur; Literatur von Brecht, Uwe Timm oder Bernhard Schlink wird beispielhaft, als Bezugsfolie oder Dekonstruktion behandelt.

Was den Bereich Film betrifft finden sich Texte zu „palästinensischen Selbstmordattentäter
im israelischen und palästinensischen Film“ (Anne Maximiliane Jäger-Gogoll, Marburg/Siegen) und „zur Darstellung der Roten Armee Fraktion im Film“ (Anja Schnabel, Paris).

Besonders schön: Den Reader der University of Bamberg Press als pdf-Datei gibt es kostenlos zum Download HIER.


zyw