26.11.2009
Buch: Araber im Actionfilm
Karin Gwinn Wilkins:
Home/Land/Security. What We Learn about Arab Communities from Action-Adventures. Lanham, MD: Lexington Books 2009.
ISBN: 978-0739127858
Karin Wilkins, Associate Professor an der Universität Texas, präsentiert in diesem rund 105 Seiten langen Bändchen die Ergebnisse ihrer Untersuchung zur Einschätzung von US-Actionfilmen, deren Darstellung des arabischen bzw. muslimischen Terroristen und der ideologische Kontextualisierung. Schon zuvor hat Wilkins dazu vorgetragen; entsprechende Papers, u.a. The Problem with Mediated Terrorism in US Action-Adventure Film: Explorations in Matters of Prejudice and Knowledge (präsentiert auf der Jahrestagung der International Communication Association in Dresden 2006) finden sich bei Allacademic.
Wilkins Ausgangspunkt ist kein neuer. Wie andere (z.B. Kathib) und in der Tradition des populären Vorstreiters gegen die Stereotypisierung von Arabern in den Medien und vor allem im Film, Jack Shaheen (auf die Wilkins auch verweist), geht sie von einem ideologischen vorgeprägten Bild des Arabers gemäß Edward Saids „Orientalismus“-Kritik aus. Dementsprechend bekannt sind die „Vorwürfe“: Neben der institutionalisierten Ideologie würden Medien ein simplifiziertes homogenes Araber-Bild konstruieren, das ihn irrational und als fremden „Anderen“ zeigt, wobei darin die westliche Überlegenheit behauptet wird. Die Darstellung der Araber würde sich so negativ – quasi im kollektiven Gedächtnis – festsetzen und Vorurteile bzw. Resentiments befördern, was insbesondere im Kontext von Terrorismus und Homeland Security eine Rolle spielt. Nach eigenen Angabe fragt Wilkins denn auch nach „the ways in which political power permeates about action-adventure-film, demonstrating how mediated Orientalism becomes manifest in the articulated discourse of the viewers“ (S. 23).
Für ihre Untersuchung hat Wilkins 63 Probanden in offenen Gesprächen über ihre Erfahrung, Meinung und Einstellung zu Actionfilmen befragt. In der Auswertung wird besonders dem Unterschied zwischen Arabisch-Stämmigen und non-Arab Americans Beachtung geschenkt; Zitate der transkribierten Aussagen verdeutlichen die jeweiligen Standpunkte.
Die Ergebnisse sind wenig überraschend: Arabisch-stämmige Probanden, weniger interessiert an Actionfilmen, stehen der Darstellung von Arabern (die meist die Rolle des Schurken übernehmen und Muslime sind) kritischere gegenüber, ebenso der Art der Präsentation des Nahen Ostens, der vereinheitlicht und als gefährlich gezeichnet erscheine. Entsprechend ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Arab Americans erzählerische Komplexität einfordern und die Terrorismusdarstellung als der U.S.-Politik gemäß erachten. Den meisten Probanden erscheint der Schurke wenig realistisch und vereinfacht, wobei non-Arab Americans die Stereotypisierung eher als generelles Problem betrachten. Die Helden werden meist als deutlich westlich konnotierte weiße Amerikaner und Einzelgängertypen erinnert. In die Richtung der Kultivierungs(hypo)these geht das Ergebnis, dass Personen, die mehr Actionfilme schauen, weniger Wissen über den Nahen Osten haben und die Region als bedrohlicher erachten.
Auch wenn die Anlage der Untersuchung, zu der Wilkins in ihrem Buch selbst wenig Angaben macht, die üblichen Vorbehalte produziert (geringe Anzahl der Probanden, alle sind sie Studenten), ist es zunächst einmal positiv zu vermerken, dass hier mit den Mitteln der Empirie der möglichen Medienpräsenz von Stereotypenzeichnungen zuleibe gerückt wird. Allerdings bietet Home/Land/Security nicht nur eine vielversprechende Wortspielerei als Titel, sondern leider auch einige Kritikpunkte, von denen manchen insofern schwer wiegen, als sie regelmäßig in der Debatte um die „‘Evil‘ Arabs“ (Semmerling) auftauchen, ohne oft und stark genug abgeklopft zu werden.
Zunächst bleibt die Frage, was Wilkins wirklich untersucht, wenn sie ihre Testpersonen über Filme diskutieren lässt: Was über arabische Communities zu in den Action-Adventure-Filmen zu lernen ist, sicher nicht, denn Wilkins beruft sich zwar auf andere Quellen, geht aber die Filme selbst nicht an. Vielmehr präsentiert sie Einschätzungen von Rezipienten, die über die spezifische Situation, die die Form der Untersuchung bietet, z.B. durch soziale Erwünschtheit getrübt sein mögen: Manch einer wird sich in der reflektierenden Situation der offenen Diskussionen kritischer zu den Filmen äußern, als er ihnen im Alltag begegnen mag. Letztlich präsentiert Wilkins also nur Ergebnisse zur Publikumswahrnehmung, die über eine Wirkung nichts aussagt.
Auch die Feststellung, Action-Fans wüssten weniger über den Nahe Osten Bescheid und würden ihn als gefährlicher einschätzen, krankt, wenn es um die implizite Schlussfolgerung geht, an der bekannten Frage der Wirkrichtung, wie sie auch für die Kultivierung von Medien im Bereich der Gewalt- bzw. „Gewalttätigkeits“darstellung eine Rolle spielt: Denn ebenso, wie American-Arabs Actionfilme weniger mögen, weil sie deren Verkürzung, Verzerrung und Vereinfachung stärker wahrnehmen, können Actionfans aufgrund mangelnden Wissens (und womöglich Interesses) die Filme eher genießen bzw. aufgrund einer entsprechenden Disposition sich extra diesen Inhalten zuwenden. Nicht die Filme beeinflussen zwangsläufig die Weltsicht, sondern vielleicht die Weltsicht die Medienauswahl.
Freilich dürfte eine Wechselwirkung von (Medien-)Wirklichkeit und (Film-)Fiktion anzunehmen sein – ausgehend von ihrem „Orientalismus“-Ansatz, dem Wilkins immerhin auch die Möglichkeit eines unbewussten Einschreibens der Ideologie in Institutionen und Medienerzählungen zugesteht, statt ihn mit den üblichen paranoiden Argumentationszügen zur „bewussten“ Propaganda der Herrschenden zu erklären und das Publikum als (einem) weitgehend passiv und dumm zu „verkaufen“.
Die Einwände der Studenten ergeben allerdings letztlich dieselben, die man auch bei den üblichen Autoren findet, die ohne Versuchsanordnung ein spezifisches Araber-Stereotyp feststellen. Dass dabei individuelle Einschätzungen dominieren, liegt ebenso auf der Hand, wie der Umstand nahezu banal ist, dass Araber bzw. Arabisch-Stämmige durchschnittlich aufmerksamer, wissender und sensibler hinsichtlich der eigenen Identität, Herkunft und ihrer Heterogenität sind. Vereinfachung und Vereinheitlichung nehmen mit der Distanz zum Gegenstand zwangsläufig zu.
Besonders traurig ist, dass und wie wenig Wilkins auf die Bedingungen und Bedingtheit des filmischen Erzählens selbst eingeht. Von Probanden selbst wird darauf verwiesen, sie selbst tut es als „Entschuldigungen“ (S. 6) ab: dass Actionfilme, zumindest eine Gewisse Art davon, von eindimensionalen und damit zwangsläufig (im weiteren Sinne) rassistischen Schurken lebt, um ein möglichst klaren, auch kognitiv einfachen Gut-Böse-Antagonismus zu gewinnen.
Nun stellt sich generell die Frage, wie schändlich der Actionfilm tatsächlich mit den Arabern selbst umgeht, d.h. inwieweit nicht Extremfälle herausgepickt werden, diese ernster gelesen werden, als sie letztlich beim Publikum ankommen und wie überhaupt auch die dem Genre möglichen Mittel des Gegensteuerns ausgenutzt werden – wobei gerade hier sich wieder das Problem auftut, wann man mit seiner Darstellung bzw. Narration angemessen ist.
Wilkins Lösungsvorschläge sind denn auch bezeichnend, auch wenn es sehr lobenswert ist, dass sie sich überhaupt der Frage, wie man es besser machen könnte, annimmt. In Teil 5 von Home/Land/Security entwickelt sie verschiedene Strategien, wie das allgemein negative Araber-Bild zu verbessern wäre. Allerdings fallen ihr zunächst nur Mittel wieder ein, die auf verstärkten Druck und Einflussnahme bei der Produktion hinauslaufen und den leichten, trotzdem unangenehmen Geruch der Zensur mit sich führen. Interessanter ist da schon die Idee, eine Art Parallelindustrie zu begründen, in denen andere Filme produziert und vertrieben werden, die parallel zum Mainstream ein alternatives Angebot darstellen.
Was das Genre, von dem sie ausgeht, selbst betrifft, gibt sie allerdings dann doch zu, dass vielleicht Actionfilme mit ihrem Anspruch und den entsprechenden Grenzen generell das falsche Genre für eine vielschichtige Repräsentation der arabischen Communities bieten und z.B. in Komödien dies besser gelingen könnte.
Das bedeutet letztlich aber doch auch wieder, das Kind mit dem Bade auszuschütten: Gerade Actionfilme nach dem 11. September, die in der Untersuchung keine Rolle spielen, zeigen, dass dieses ideologisch (vermeintlich) so wirkmächtige Genre durchaus Potential zum „Besseren“ aufweist – so wenn in TRAITOR (2008), wie in der TV-Serie Sleeper Cell, ein US-kritischer Muslim den Helden spielt oder sich Filme wie THE KINGDOM / OPERTION: KINGDOM (2007) oder BODY OF LIES / DER MANN, DER NIEMALS LEBTE (2008) bei aller ihrer Begrenztheit (vor allem THE KINGDOM) dem arabisch-muslimischen Schurken zumindest im Nahen Osten begegnen und dabei im Kleinen ein Gespür für soziale und politische Konstellationen geben können, wie sie Hollywood schon mal in den 1970ern bis zum Beginn des „Reagan“-Actionkinos interessierte.
Bernd Zywietz
Literatur:
Khatib, Lina (2006): Filming the Modern Middle East. Politics in the Cinema of Hollywood and the Arab World. London / New York: I.B. Tauris.
Said, Edward W. (2009): Orientalismus. Frankfurt: S. Fischer.
Semmerling, Tim Jon (2006): „Evil“ Arabs in American Popular Film. Orientalist Fear. Austin, TX: University of Texas Press.
Shaheen, Jack G. (1997): Arab and Muslim Stereotyping in American Popular Culture. Washington, D.C.: Center for Muslim-Christian Understanding: History and International Affairs, Edmund A. Walsh School of Foreign Service, Georgetown University.
Shaheen, Jack G. (2001): Reel Bad Arabs: How Hollywood Vilifies a People. New York: Olive Branch Press.
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