06.01.2012

Stereotyp-Mangel: "harmful to America's belief structure"


In seiner Daily Show macht sich John Stewart lustig über einen wirklich erstaunlichen Fall: Die Florida Family Association kritisiert die Reality-TV-Show All-American Muslim des Senders TLC, denn diese sei "harmful educationwise to the beliefe structure and memories of millions of Americans" - weil sie NICHT das Negativ-Stereotyp des radikalislamistischen Muslimen bedient!

Die Argumentationslinie ist so unverfroren wie bemerkenswert, da ein Einwand auf verdrehte Weise vorgebracht wird, der ansonsten ebenso von "Bad Arab"-Stereotypen-Kritikern wie Jack G. Shaheen ins Feld geführt wird: Es könnte der fälschliche Eindruck entstehen, dass alle Muslim so - in diesem Fall: gewöhnliche US-Bürger - seien. Und das, so wird impliziert, ist ja angesichts der tatsächlich existierenden Radikalen und antiliberalen Strenggläubigen nicht der Fall ist...

Auf der Website der FFA heißt es tatsächlich:
"The Learning Channel's new show All-American Muslim is propaganda clearly designed to counter legitimate and present-day concerns about many Muslims who are advancing Islamic fundamentalism and Sharia law. The show profiles only Muslims that appear to be ordinary folks while excluding many Islamic believers whose agenda poses a clear and present danger to liberties and traditional values that the majority of Americans cherish."

Ein kurioses Beispiel aus dem Debattenfeld Repräsentationsrealität, -politik und -angemessenheit. Und: So bizarr dies erscheint, so erschreckend konkrete Folgen hat der abstruse Vorwurf: Die Heimwerker- und Hausgerätelädenkette Lowe's verzichtete im Zuge der Vorwürfe auf seine Werbung im Rahmen der Serie.

Die FFA brüstete sich entsprechend:
"NINETY SIX PERCENT (96%) of the companies that Florida Family Association targeted with emails did NOT advertise again during the January 1st and 2nd episodes of All-American Muslim. One hundred one (101) out of one hundred five (105) companies did NOT advertise again."

Den Ausschnitt aus The Daily Show with Jon Stewart vom 13. Dezember 2011 finden Sie HIER.

Und Stewarts Verhöhnung von Lowe's Reaktion HIER.



zyw

1996: IRA, texanische Terroristen und das "weltweite Datennetz"

Eine kleine Meldung im SPIEGEL, die ich mir erlaub, hier in Gänze zu zitieren. Sie stammt aus dem Jahr 1996 (Ausgabe 16, S. 147) und kann einen mit einer Wendung wie "dem weltweiten Datennetz 'Internet'" (mit damals sagenhaften 40 Mio. Nutztern insgesamt!) schon ein wenig nostalgisch werden lassen. Zugleich ist sie ein frühes Beispiel für die Gefahren des "Cyberterrorismus", wobei es hier eben mal nicht um radikalislamistische Propaganda und Anleitungen zum dschihadistischen Bombenbau geht und der "Feind" nicht in ägyptischen oder jemenitischen Internetkaffees saß, sondern als Sinn-Féin-Sympathisant in den USA - und dort ausgerechnet in Texas.

"Mitarbeiter der University of Texas bringen britische Sicherheitsbehörden ins Schwitzen: Die Sympathisanten von Sinn Fein, dem politischen Arm der irischen Untergrundarmee IRA, haben wichtige Details der britischen Militärpräsenz in Nordirland ins weltweite Datennetz Internet eingespeist, darunter Angaben über genaue Lage und Größe der 135 Militärstützpunkte sowie Kommandostrukturen der Armee. Die Daten wurden dem Kampfblatt der Sinn Fein, An Phoblacht, entnommen und sind nun etwa 40 Millionen Internet-Benutzern weltweit zugänglich gemacht. Hohe britische Sicherheitsbeamte rückten die Veröffentlichungen in die Nähe terroristischer Aktivitäten, da mögliche Angriffsziele konkret benannt würden. Die Profis aus dem Mutterland der Top-Agenten gestehen ein, gegen Veröffentlichungen dieser Art auf der Datenautobahn hilflos zu sein."