06.09.2014

"Sotloff-Video" vorab geleaked

In meinem Beitrag zum "Sotloff-Video", dem terroristischen Enthauptungsvideo "A Second Message to America" hatte ich beschrieben, dass das Video zu dem der Foley-Ermordung trotz gleicher Dramaturgie und Darstellungsmuster deutliche qualitative Unterschiede aufweist.


Möglicherweise ist der Grund dafür jetzt bekannt: Nicht, dass die IS-Spitze etwa der Mediaabteilung nicht genügend Zeit zur Bearbeitung gelassen hätte - wie ein Beitrag der F.A.Z. von Lea Beiermann nun nahelegt, ist das Video schlichtweg vorab "geleakt".

"Auf justpaste.it, einer Plattform, die das Teilen von Inhalten ohne vorherige Registrierung erlaubt, entschuldigte sich der IS für die vorzeitige Herausgabe des Videos. Er bat seine Follower um Verzeihung - dafür, dass das Video 'vor dem offiziellen Zeitpunkt' in Umlauf kam."

Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, befindet sich der "Islamische Staat" zum einem in derselben Position wie ein Hollywood-Studio, das mit seinen spektakulären Blockbustern ein internationales Publikum erreichen will, wobei diese als Raubkopien aber allzuschnell im Netz landen, aus dem sie dann nicht mehr so einfach herauszubekommen sind.

Dies hat, zum anderen, die Folge, dass IS wie seine Gegner im Westen, am selben Strang zogen, als es darum ging, die Verbreitung des "Sotloff-Video" einzudämmen: "Der IS konnte den Leak scheinbar nicht verhindern, doch den sozialen Netzwerken gelang es, die weitere Verbreitung des Videos radikal einzuschränken", so Beiermann in der F.A.Z.

Dass IS auch die Nachteile der schönen neuen Social-Media-Welt, die sie ansonsten für sich und ihre Propganda und Kommuniaton nutzt, zu spüren bekommt, ist allerdings nicht neu. Bekannt ist, dass manche Jihadisten im Überschwang mit ihren Handykameras eigenmächtig Bildmaterial verbreiteten (etwa die Hinrichtung von Christen in Syrien), die der "Islamische Staat" nicht so ohne weiteres in Umlauf gebracht sehen wollte.

zyw  

05.09.2014

In eigener Sache: 3sat "Kulturzeit"-Beitrag zur IS-"Killer-Ästhetik"



Montag, dem 1. September, besuchte mich Benedikt Walter für 3sat-Kulturzeit in meinem Büro und drehte dort wie im einige Türen weiter gelegenen Studio des Medienzentrums der Uni Mainz einen Bericht, in dem ich einmal mehr Stellung zur IS-Videopropaganda nehme. Gerne danke ich Herrn Walter und seinem Team dafür, v.a. aber für die schnelle, professionelle und bei alledem auch noch unglaublich angenehme Arbeitsathmosphäre.

Die Beitragsseite auf der Kulturzeit-Site finden Sie HIER, den Beitrag selbst in der 3sat-Mediathek (aktuell noch) HIER.


03.09.2014

Zum "Sotloff-Video" / "A Second Message to America"

Wie beim Video "A Message to America", das die Hinrichtung des Journalisten Foley zeigt, ist nun bei dessen schrecklicher Fortsetzung, "A Second Message to America", sprich dem terroristischen Erpressungs- und Vergeltungsvideo, in dem Steven Joel Sotloff das Opfer ist, die problematische Frage der Verbreitung keine der Verfügbarkeit, sondern der Auffindbarkeit.
Auch diese "zweite Botschaft" wurde schnell aus zentralen, populären Quellen wie YouTube entfernt - gleichwohl kursiert das Video noch im Netz und ist auch auf Videoplattformen zu finden - wenn auch vor allem bei solchen nicht-westlicher Domäne.
Man kann es sich also anschauen, wenn man mag - und tatsächlich ist der Vergleich aufschlussreich. "A Second Message to America" wirkt gegenüber dem ersten Video erstaunlich schnell und "minderwertiger" produziert. So zynisch es klingt: Es erinnert an ein weitaus günstigeres Sequel, wie man es aus Hollywood zuhauf kennt, das mit weniger Aufwand und Können an den Erfolg des ersten Teils anknüpfen will und sich dabei weit weniger auch handwerklich gekonnt, an dessen Muster orientiert.
Zunächst ist festzustellen, dass die "zweite Botschaft" mit 2'24 gerade mal knapp halb so lange ist wie das Foley-Video (ca. 4'40). Auch hier haben wir zunächst einen Mitschnitt von Präsident Obamas Rede, doch diese gerät deutlich kürzer. Auch hier haben wir erst im Anschluss den Titel - aber die Buchstaben sind deutlich einfacher gehalten, deren Animation weniger rudimentär.
Generell wirkt das Video wie eilig hingeworfen entstanden oder zumindest fertiggestellt. Wie Foley kniet Sotloff im Wüstensand, doch sparen sich die Terroristen diesmal die Totale, sind direkt bei dem Journalisten, dem ebenso wie dem Henker, der nach dem Foley-Video hier seinen zweiten Auftritt hat (man kann ihn an der Stimme identifizieren), weniger Zeit eingeräumt wird. Sotloff trägt ebenfalls das Guantanamo-orangefarbene Hemd sowie ein Ansteckmikro (dessen Kabel nun unter dem Stoff verborgen ist). Doch die Tonqualität ist deutlich schlechter, der Wind rauscht.
Wieder zwei Kameras im Einsatz, in ähnlichen Positionen. Doch: Schlechtere Bildqualität, die vergleichsweise "fahrigen" Umschnitte: "A Second Message to America" bedient sich derselben Bildmotive, der gleichen Argumentationsmuster, einer identischen Dramaturgie. Ein gräßlicher Serieneffekt entsteht: Was im ersten Video angedroht wird, ist hier realisiert - die Tötung Sotloffs, den wir quasi schon aus "A Message to America" kannten; er ist sozusagen eingeführt - als Zuschauer hat man zu ihm als unseligen Mordopfer auf diese Weise allein über die Reihung ein anderes Verhältnis als zu anderen narrativ-"geschichtslosen" Gesichtern.
Aber dieses zweite Video wirkt bei aller kalkulierter Grausamkeit und taktischer Unmenschlichkeit verglichen mit dem ersten, mit dessen Ästhetik, dem präzisen Bildaufbau, dem akkuraten Montagehandwerk etc., merkwürdig "unsouverän", gehetzt - ein Abklatsch oder Imitat. Was verrät uns das? War IS-Medienarm al-Furqan unter (Zeit-)Druck, diktierten hier andere Notwendigkeiten oder Prioritäten - etwa militärischer oder kommunikationspolitischer Natur - den Verzicht auf (oder wenigstens Nachrangigkeit der) offiziöse Hochglanzästhetik, jene "Bildqualität", um die sich die Jihadisten bislang bei Statements von dieser Dimension und avisierten Reichweite bemühten?
zyw

SITE-Bericht zum Sotloff-Enthauptungsvideo / Florian Flade zum Foley-Video


Die SITE Intelligence Group (SITE steht für "Search for International Terrorist Entities") hat nicht nur als erstes vom Video berichtet, dass die Enthauptung von Steven Joel Sotloff zeigt, sondern die mündlichen Botschaften darin HIER transkribiert.

Das Video selbst, am 2. September verbreitet, ist die grausige "Fortsetzung" des Foley-Videos. Dieses hat sich auch Investigativ-Journalist Florian Flade genau angesehen und kann in einem Bericht seines Blogs Jih@d einige Unstimmigkeiten aufzeigen, die die Frage aufwerfen, ob Foley tatsächlich wie in dem Video impliziert, von dem vermummten britischen "Henker" getötet wurde. Indizien, dass sich die Tat anders abspielte sind, dass das Messer nach einer Bilddetailbetrachtung nicht mit der Schneide an den Halts des US-Journalisten angesetzt wurde sowie, dass das Messer in der Hand des Mörders nicht dasselbe ist, das schließlich neben dem Torso des Opfers im Sand zu sehen ist.

Dass Foley - wenn auch vielleicht von einer anderen Person und zu einem späteren Zeitpunkt - umgebracht wurde, ist jedoch nach wie vor anzunehmen, alleine, weil es m.E. für eine lediglich gestellte Hinrichtung durch die Gruppe "Islamischer Staat" keine sinnvollen Gründe gibt.


zyw