Mit Spannung darf man den Start des neuen
Batman-Films
The Dark Knight Rises erwarten, der Abschluss von
Christopher Nolans höchst erfolgreicher Trilogie, mit der der Comic-Superheld
im Kino neu etabliert worden ist. Dabei kann man gerade den epischen Abschluss,
der demnächst startet und in den USA nicht zuletzt deshalb Aufsehen erregt hat,
weil ein Amokschütze in Aurora bei Denver die Filmpremiere für seine Bluttat auserkor,
auch als Auseinandersetzung mit den Befindlichkeiten in den Post-9/11-USA
betrachten – und vielleicht auch kritisieren. Teil 2,
The Dark Knight, gibt dazu jedenfalls Anlass.
Aber der Reihe nach.
2005 machte Batman
Begins Schluss mit dem popbunten Kinokaleidoskop eines Joel Schumacher,
der es von Tim Burton die Batman-Reihe übernommen hatte, welche bis hin zum Trash an die
unverbindliche, überdrehte und knallige TV-Serie der 1960er erinnerte. Mit
Christian Bale in der Hauptrolle des Milliardärs Bruce Wayne, der nachts,
traumatisiert durch den Raubmord an seinen Eltern, zum Fledermaus-Hüter des
fiktiven Gotham City wird, kehrte der gebürtige Brite Nolan die schmutzigen
Seiten des Superheldentums hervor. Einen wunderbaren Film legte er dabei vor,
weil er zum einen die sogenannte Origin
Story des Batmans samt seiner ersten Bewährung, Entwicklung und
Selbstdefinition auch mit trockenem Witz zu zelebrieren verstand. Zum anderen
bot Batman Begins eine gelungene
Ästhetik, die den Comicvorlagen erstmals im Kino wirklich nahe kam oder
zumindest das faszinierende Wesen der Batman-Figur herausschälte und auf den
Punkt brachte: Trotz der technischen Gadgets war hier der „Dunkle Ritter“ vor
allem ein Phantom, Schattengestalt und Schreckgespenst für die Gangster – ein Spukrächer,
der aus dem Dunkeln auftaucht, selten ganz zu sehen ist, und sich
gespensterhaft wieder in die Nacht verzieht. Die Actionszenen waren folegrichtig
schnelle Schnittgewitter, die viele Zuschauer verwirrt und verärgert haben, die
aber auch perfekt waren für die Interpretation: Gezeigt wurde nicht, was
passierte, sondern wie es wirkte, erschien – und ein sich prügelnder Maskenmann
mit Spitzohren kommt lässt sich ohnehin wenig cool in Szene setzen. Batman ist in Batman Begins jedenfalls noch eine
Gestalt, die die eigenen inneren Dämonen des Bruce Wayne quasi nach außen gegen
Gewalt und Korruption wenden, die Verbrecher terrorisiert.
Der erste der Nolan-
Batman-Filme funktionierte aber auch
inhaltlich so trefflich, weil die vigilantische Anmaßung des Helden noch einen
ideologisch aparten Ausgleich erfuhr. So muss sich Batman nicht nur mit dem
Mafiosi Falcone (Tom Wilkinson) auseinandersetzen, dessen Korruptionskrebs sich
durch die Ordnungsinstitutionen gefressen hat, sondern auch mit seinem
Kampfkunstlehrmeister Ducard / „Ra‘s Al Ghul“ (Liam Neeson). Der hat in Tibet
aus Bruce Wayne jeden „Ninja“-Kämpfer gemacht, der er ist, um ihn als Teil
seiner Bruderschaft zu gewinnen – eine, die sich als Quasi-Antikörper seit
Jahrhunderten einer Art historischen Polit- und Gesellschaftshygiene verschrieben
hat: Verrottete, dekadente Systeme und Reiche – hier die Metropole Gotham City –
sollen niedergehen, im säubernden Chaos vergehen wie dereinst Rom. Das kann und
will der Batman nicht zulassen, und so erfreute man sich an dem Comic-Pathos
des Helden samt allen seinen Verwundungen. Es war die überhöhte Gebrochenheit eines
Heroen, der für uns Normalsterbliche das Luxusleben ablegt (oder nur als Fassade
vorspielte) und dafür das Kreuz des Ausputzers aufnimmt, noch ausbalanciert mit
dem stets fragwürdigen immanenten Zug dieser Figur: die des paternalistischen Gutsbesitzers,
der nicht nur mit seinem Geld Gutes tut, sondern unter körperlichem und
technologischem Einsatz dem Schmutz in der Gosse die Leviten liest und (s)eine
Ordnung durchsetzt.
In Nolans zweiten Batman
-Film,
dem prätentiös zynischen
The Dark Knight (2008), der diverse Box-Office-Rekorde knackte, ist das alles anders. Weniger
ist Gotham City eine nächtliche dunkelbraune Phantasiemetropolis als ein trist-klinisches
Chicago mit Glastürmen im harten, bleich-blauen Tageslicht, und Batman ist wieder (wie
bei Burton und Schumacher) zu einem gepanzerten RoboCop geworden, der in seinem
Dress – anders noch als in
Batman Begins
– nicht mal mehr den Kopf drehen kann. Vor allem aber:
In The Dark Night schimmert – spricht man dem Film die
zugeschriebene Gebrochenheit und Ambivalenz ab, die ihm eifrig beigemessen
wurde – der Geist Frank Millers durch, den Nolan in
Batman Begins noch gut unter Kontrolle hielt, obwohl der
Film sich streckenweise an Millers Batman-Comic-Roman
Batman: Year One (1987) orientierte.
Frank Miller ist jener Autor, der zusammen mit Alan Moore (
Watchmen) die Gattung der (Superhelden)-Graphic-Novel
quasi erfunden hat, zumindest aber die gezeichneten Überhelden in so etwas wie das
Ernsthaft-Literarische überführte. Miller tat das mit
Batman: The Dark Knight Returns (1986), in dem Batman nicht
nur immer mehr zum mörderischen Psychopathen degeneriert, sondern als solcher
leider von Miller auch bei aller Ironie gefeiert wird. Hier wie in anderen
Miller-Stücken und ihren erfolgreichen Kino-Adaptionen – die Spartaner-„Nibelungen“-Posse
300 oder das ästhetisch
faszinierende, inhaltlich widerwärtige Machwerk
Sin
City – wird eine Geisteshaltung sichtbar, der man faschistoide Züge
zusprechen kann. Miller selbst hat zuletzt mit einem bestenfalls
als „Camp“ abzutuenden Stück Holy Terror Aufmerksamkeit
erregt (ein maskierter Held, dem der Verlag DC Comics dann doch nicht das Batman-Cape
verleihen wollte, verprügelt sardonische arabische Terroristen). Auch jenseits
des Zeichentischs ist Miller mit seinem abstrusen rechten
Ansichten zur (und Beschimpfungen der) Occupy-Bewegung unangenehm aufgefallen –
Schelte gab es dafürvon diversen Kollegen, darunter auch Watchmen- und V for Vendetta-Großmeister Alan Moore.
Christopher Nolans
The
Dark Knight, nach dem Buch von Nolan und seinem Bruder Jonathan (mit an
der Story arbeitet zudem David S. Goyer), wendet sich nun mehr oder minder
deutlich dem Terrorismus als Bedrohung für die öffentlich Ordnung und Ethik zu.
Fast allegorisch tritt dafür der Joker auf, gespielt von dem posthum dafür mit
einem „Oscar“ bedachten Heath Ledger. Dieser Erzschurke hat nichts mehr mit
jener Gestalt aus den klassischen Comics von Bob Kane oder der Verfilmung von Tim
Burton (
Batman von 1989) zu tun:
Aus dem boshaften verspielten Harlekin mit genüsslich-verquerem Stil und teuflisch-kecken
Dauergrinsen ist ein versiffter, vernarbter und sarkastischer Maniac geworden, ein Terrorist,
der nur mehr irrlichternd und anarchisch herrscht, dabei zum Grenz- und
Testfall (damit Rechtfertigung) für die provokanten Prozess jener „wehrhaften Demokratie“
wird, innerhalb deren Weltordnung nur mehr apokalyptisches Chaos oder rigorose
– gar faschistoide – Obrigkeitsfaust ohne Rücksicht auf die Grundrechte
Einzelner zu denken möglich scheinen.
Der Joker wird in
The
Dark Knight vorgestellt (oder behauptet) als zerrspiegelbildlicher Feind
des vigilantischen Heroen Batman und – bemerkenswert! –
zugleich
(oder in diesem Sinne?) als (sozialrevolutionär angehauchte) anarchistische Bedrohung:
Er repräsentiert einen willkürlichen, Sinn negierenden und so wahnsinnigen wie (leider
erzählerisch und ästhetisch nicht reflektierten) karnevalesken Terrorismus,
vergleichbar jener Art, wie ihn Baudrillard Ende der 1970er beschrieb und der
damals schon ein philosophisches Hirngespinst ohne Rückbindung an die Realität
war [1].
Zum Höhepunkt des Films inszeniert der pseudo-clowneske
Schurke ein sadistisches moralisches (und buchstäbliches) „Gefangenendilemma“
(ein Begriff aus der Entscheidungs- und Spieltheorie), das wie die diegetische
Umformulierung des Story-Prinzips von
Unthinkable anmutet: Auf zwei
Fähren werden – hier – brave Bürger und – dort – eine Gruppe Häftlinge vor die
Wahl gestellt, die jeweils anderen in die Luft zu jagen oder aber gemeinsam mit
ihnen zu sterben. Während allerdings der Fledermausmann und Milliardär Wayne über
eine unverzeihliche, aber angesichts der Krise als unumgänglich deklarierte Kurzschaltung
und Komplettüberwachung sämtlicher Mobiltelefone dem Schuft auf die Spur kommt
(die antiterroristische Grundrechtsverletzung als erfolgreiche
Ultima Ratio), entscheiden sich die
Geiseln in diesem ansonsten dahingehend pessimistischen Film für die
Menschlichkeit: Selbst die Schwerstkriminellen werfen den Zünder für die
Gegen-Fähre über Bord, der ihnen das Leben auf Kosten das der Anderen retten
könnte.
Je nach Standpunkt kann man
The
Dark Knight als avanciertes Genre-Biegen begreifen oder als
Demonstration der rigiden Antiterrorismus-Logik samt eines autoritären Ethos
kritisieren, wobei der Typus des paternalistischen Comic-Helden und seiner
narrativen Frames je nach Standpunkt originell demontiert oder lediglich
inkonsistent überreizt wird. Batman und seine beiden staatlichen Mitstreiter –
ein Staatsanwalt und ein Polizist – beschwören sich selbst als letzte Garanten
und Wächter einer von Korruption und Angst bedrohten Zivilordnung in einer
Stadt, deren Bewohner ohne die Helden den Verbrechern und Verrückten praktisch
hilflos ausgeliefert und, als irrationale Masse, auch willkürlich manipulierbar
erscheinen. So droht der Joker, regelmäßig einen beliebigen Bürger zu töten,
bis Batmans Identität enthüllt werde – ehe der Bösewicht umschwenkt und den Tod
eines Mannes erpresserisch einfordert, der dieses Wissen besitzt. Die Bürger
zeigen daraufhin ihre hässliche Seite, vor der es sie zu schützen gilt, ehe die
Fähren-Sequenz unvermittelt selbst die Schlimmsten unter ihnen in der Not als
edelmütig präsentiert. Die Bevölkerung ist also nach Belieben oder Bedarf entmündigt
oder verklärt, auf jeden Falls aber verblendungsbedürftig: Der strahlende
Staatsanwalt Harvey Dent (Aaron Eckart) wird von Batman gescholten, weil er
einem geistig minderbemittelten Gangster auf der Flucht die Pistole auf die
Brust setzt – nicht, weil sich das nicht gehört, sondern weil das Image des
Strahlemanns für die Moral der Einwohnermasse Gothams so wichtig ist. Als
Harvey qua Verbrennung und Einflüsterungen des Jokers zum irren Schurken Two-Face
verkommen ist, nimmt Batman die Schuld für dessen Morde auf sich.
Das Irrationale des gemeinen Volkes oder sein Schutz (vor dem
Joker; vor sich selbst), wahlweise aber auch die Reinigung der Stadt von
verbrecherischem Unrat, rechtfertigt bedenkenlos spektakulär-coole
extraordinary renditions, so wenn Batman einen chinesischen Mafia-Buchhalter aus
einem Hongkonger Wolkenkratzer entführt – und letztendlich eben auch den Großen
Lauschangriff.
Selbstverständlich nur
im Krisenfall und strikt begrenzt: Lediglich der moralisch einwandfreie
Haustechniker Batmans, der Erfinder Lucius Fox (Morgan Freeman), hat
Zugriffsbefugnis auf den Abhörmaschine und äußert, als integere moralische
Instanz, auch die passenden freiheitsrechtlichen und demokratischen Bedenken. Nach
dem Erfolg der Überwachungstechnik für „Jack-Bauer“-Batman wird die Technologie
von Fox auch prompt und brav kaputt gemacht.
Mit der Figur des Jokers wiederum bricht der Film mit den
Comic-Book-Konventionen (und denen ihrer
vorherigen Kinoadaptionen), indem die Vorgeschichte des Schurken bzw. seine
Entstehung (die
Origin Story) als krimineller Irrer nicht nur verschwiegen, sondern
eine solche gar von ihm selbst sarkastisch in immer neuen Varianten einer
tragischen
Backstorywound zum Besten
gegeben wird: Mal erklärt er für sein Narben-Grinsen einen brutalen Vater, mal
sich selbst verantwortlich (aus Liebe zu einer Frau habe er sich verunstaltet).
Freilich lässt sich das sowohl als Spiel mit dem genre-typischen Psychologismus
interpretieren wie als Verabschiedung von wenigstens persönlichen
legitimatorischen Motivationen: die Reduzierung des Gegners auf den grotesken
Anderen, mehr aber noch seine
Degradierung zur blanken Gefahr und funktionalem Rechtfertigungsgrund für das
„Gute“ im Geiste einer verabsolutierenden Actionfilm- und Auge-um-Auge-Programmatik.
Wie sieht es aber nun mit dem dritten Teil, mit
The Dark Knight Rises aus? Am 26. Juli
läuft hierzulande der Film an, und wir werden sehen, ob es Nolan gelingt, nicht
nur der „Legende“ den passenden Abschluss zu geben (in den USA, wo der Film
bereits gestartet ist, ist man – erwartungsgemäß – euphorisch ob der Qualität
des Streifens), sondern vielmehr,
Batman
Begins und
The Dark Knight
auch ideologisch vernünftig zu kombinieren bzw. sich aus der fragwürdige „Miller“-Sackgasse
herauszumanövrieren und zu Ende zu bringen. Was bislang zu hören ist, lässt
dahingehend jedenfalls hoffen. Allein schon, weil man nun im Herz des US-Traumas
angekommen ist, nicht Batmans, sondern dem der USA nach dem 11. September wie
in Folge der Börsen- und Bankenkrise: Gotham ist nun deutlich New York, das vom
Schurken „Bane“ (Tom Hardy) und seiner bis zum Tod ergebenen Truppe von einer verheerenden
Terrorserie überzogen wird – bis sich schließlich aus Bürgerkriegszuständen
heraus ein neues Regime etabliert. Eines, das die Repräsentanten der alten,
reichen und korrupte Elite zum Tode verurteilt oder ins Exil schickt. Terrorismus
– so verspricht ein solcher Plot – wird damit nicht zum ziel- und inhaltslose
Schreckgespenst vereinfacht, selbstzwecklos und zugleich funktional für eine
rechtsgerichtete Simplifizierung, sondern mit allen Unbequemlichkeiten auch für
das Comic-Erzählen weiterdekliniert. Vom Terrorismus zum Terror.
Wir dürfen gespannt sein.
zyw
[1]
Baudrillard,
Jean (1978): Unser Theater der
Grausamkeit. In: Ders.: Kool Killer oder
Der Aufstand der Zeichen. Berlin: Merve, S. 7–18.