24.11.2013

CfP: "Die Künste der RAF" (NTF-Workshop 13./14.02.2014)


Aufruf für Konferenzbeiträge / Call for Papers

14. Workshop des Netzwerk Terrorismusforschung e.V. (Stuttgart, 13.-14.02.2014)

Eine Veranstaltung des Netzwerk Terrorismusforschung e. V. im Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart im Kontext der Ausstellung „RAF–Terror im Südwesten“.

Datum:                       Do., 13. – Fr., 14. Februar 2014
Ort:                             Haus der Geschichte Stuttgart
Thema:                       Die Künste und die RAF
Deadline:                   8. Dezember 2013

Zum Abschluss der aktuell im Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart gezeigten Ausstellung „RAF – Terror im Südwesten“ (14.6.2013 – 23.2.2014) wird ein von dem interdisziplinären Netzwerk-Terrorismusforschung (NTF) e.V. organisierter Workshop die Rezeption des Linksterrorismus der RAF in den Künsten zur Diskussion stellen. Dabei geht es vorrangig um künstlerisch verwendete Medien wie Texte, Bilder, Filme, Tondokumente, Skulpturen, Installationen und Aufführungen, aber auch um kunstaffine Selbstdarstellungen der RAF seit den 1970er Jahren (vom grafischen Logo bis zum Konzept der Avantgarde). Die Tagung soll die Perspektiven der Ausstellung um eine Dimension erweitern, die künstlerische Kontexte, Manifestationen sowie Formen der Wiedererinnerung und Nacherzählung einer Phase der politischen Geschichte betrifft, zu deren Bild Kriminalistik, Journalismus, historische und politische Wissenschaft stetig neues Material hinzufügen.

Astrid Proll behauptet im Vorwort zu ihrem Fotoband Hans und Grete (2004), der Linksterrorismus sei „spätestens seit dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung ein abge­schlosse­nes Kapitel der Historie der alten Bundesrepublik Deutschland“.  Dennoch lässt dieses Kapitel offenbar eine Vielzahl ästhetischer Nach-, Neu- und Überschreibungen zu (oder bedingt diese sogar).  In der Malerei, der Fotografie, in Videoinstallationen und im Film wird die RAF von zeitgenössischen KünstlerInnen und RegisseurInnen rezipiert, wie u.a. die paradigmatische Ausstellung „Zur Vorstellung des Terrors: Die RAF“ 2005 in Berlin gezeigt hat. Auch Theater und Literatur repräsentieren denkbar verschiedenartige Zugänge zu den historischen Ereignissen: von fiktionaler Mimesis oder Verfremdung über popästhetische Adaption bis zur autobiografischen Prosa oder biografischen Rekonstruktion. – Das Verhältnis zwischen Terrorismus und Kunst ist aber darüber hinaus kein bloß einseitiges bzw. nachträgliches: Während einige Akteure selbst aus der Kunstszene hervorgegangen sind (vgl. etwa Holger Meins, Philipp Werner Sauber), haben andere in ihren Haftjahren eine literarische Produktivität entfaltet (Peter Jürgen Book, Peter Paul Zahl u.a.). Das alles verweist auf eine – nicht nur thematische – Affinität zwischen terroristischer Gewalt und Ästhetik, die auch auf das Konzept der Avantgarde und die subversive Rolle der Kunst in den Manifesten der Kunst und Literatur des 20. Jahrhunderts zurückbezogen werden kann.
Im Kontext der Stuttgarter Ausstellung bezieht sich der Workshop auf die RAF als Erinnerungsort (lieu de mémoire, Pierre Nora), dessen Zeichencharakter in künstlerischen Adaptionen vielfältig variiert wird.  In den so stattfindenden Medialisierungen ergänzen oder durchkreuzen sich authentische Mitteilungs- und Wahrheitsansprüche, ästhetische Fiktionen sowie gegensätzliche politische Bewertungen und Projektionen. Insbesondere die Künste scheinen für die „Nachbilder“ der RAF einen Schauplatz abzugeben, auf dem solche Differenzen von politischer Positionierung und Rekonstruktion, subjektiver Erinnerung und postmodernem Spiel ausgetragen werden.

Informationen zur zum Netzwerk-Terrorismusforschung e.V. und zur Ausstellung im Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart:
www.netzwerk-terrorismusforschung.org

Ihre Beitragsmöglichkeit:
Das NTF e.V. richtet sich an Fachleute und Wissenschaftler, die zum Thema Terrorismus und politische Gewalt arbeiten und forschen. Besonders promovierende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden ermutigt, ihre Projekte, Arbeiten und Thesen vorzustellen.  Präsentationen sollten ca. 20-30 Minuten umfassen und im Anschluss Gelegenheit zur Diskussion bieten. Interessierte sind aufgerufen, ein Abstract im Umfang von ca. 500 Wörtern zu formulieren. Vortragssprachen sind Deutsch oder Englisch.
In Absprache mit den Organisatoren können nach Möglichkeit auch variierende Fragestellungen und Forschungsarbeiten zum Thema vorgestellt werden.

Deadline:
Bitte senden Sie Ihr Abstract (ca. 500 Wörter mit Angaben zu Autorin/Autor und Institution) bis zum 8. Dezember 2013 per EMail an die beiden Organisatoren:
PD Dr. Christoph Deupmann, Institut für Literaturwissenschaft, KIT, Karlsruhe Christoph.Deupmann@kit.edu
Sebastian Baden, Institut für Kunstwissenschaft und Medientheorie, HfG Karlsruhe
Programm:
Das Programm des Workshops (inkl. Wegbeschreibung, Unterkunftsliste etc.) wird ab Ende Januar an die Teilnehmer verschickt und auf der Internetseite des NTF unter

Teilnehmerbeitrag
Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenlos. Eine Teilnahme ohne Vortrag ist ebenfalls möglich. Aufgrund der begrenzten Platzzahl bitten wir dafür ebenfalls um eine Anmeldung bis zum 1. Februar 2014.

Generell gilt: Die Übernahme von Reise- und Unterkunftskosten ist seitens des NTF e.V. leider nicht möglich. Alle teilnehmenden Gäste, Referentinnen und Referenten sind angehalten, sich individuell zu organisieren. Für Verpflegung in den Pausen wird gesorgt; dazu werden rechtzeitig Informationen bereitgestellt.

Zum Netzwerk Terrorismusforschung:
Das Netzwerk-Terrorismusforschung e.V. (NTF) ist ein Zusammenschluss von mittlerweile über 400 jungen WissenschaftlerInnen und Fachleuten aus verschiedenen Disziplinen, die sich mit Fragen und Problemen des Themenbereichs Terrorismus, Terrorismusbekämpfung und Sicherheitspolitik befassen. Es soll Kontakte schaffen und als Forum dienen für Ideen- und Informationsaustausch, zur Vorstellung von Projekten sowie deren gemeinsamer Initiierung, Planung und Realisierung. Das zentrale Werkzeug ist neben der Website und dem Mailverteiler der halbjährlich stattfindende Workshop. Auf diesem können laufende wie abgeschlossene Arbeiten sowie Projekte präsentiert und diskutiert werden. Das Netzwerk Terrorismusforschung steht darüber hinaus Interessierten aus Medien, Verwaltung und Politik offen und bei Anfragen – z.B. für den Kontakt mit Experten bei spezifischen Fragen – zur Verfügung. http://www.netzwerk-terrorismusforschung.org

Mitgliedschaft
Gerne dürfen Sie unseren Verein NTF e.V. durch Mitgliedschaft oder Spende in seiner Arbeit unterstützen: http://www.netzwerk-terrorismusforschung.org/index.php/mitgliedschaft

Kontakt und Organisation:
Netzwerk Terrorismusforschung e. V.
c/o Dr. Stephan Humer Bundesallee 171
DE-10715 Berlin Deutschland
info@netzwerk-terrorismusforschung.org

10.10.2013

"Spiegel-TV"-Doku zu Kriegsheimkehrern



 

Vor zwei Wochen ist die dritte Staffel der - im wahrsten Sinne - ausgezeichneten Fernsehserie Homeland in den USA gestartet. Darin wird der Kriegsheimkehrer und -held Brody (Damien Lewis) als Terrorist gejagt, derweil die in ihn verliebte (und ihn zunächst verdächtigende) CIA-Agentin Carrie zwischen allen Stühlen sitzt. Die von Claire Danes eindrucksvoll gespielte Geheimagentin bekämpft ihre psyschische Krankheit mit Jazz, Alkohol, schnellem Sex und - so sie es nicht absetzt - Lithium.

Auch der in der Spiegel-TV-Doku an den Folgen seine Irakkriegseinsatzes leidende Soldat greift zu dem Mittel, zusammen mit Antidepressiva etc. Sein Lebensstandard ist weniger gehoben als der von Carrie - und eigentlich verkörpert er eher die Seite des Jahre lang in Kriegsgefangenschaft gehaltenen und "umgedrehten" (und dabei doppelt benutzten) Brody. Bei Carrie ist die psychische Störung vererbt, bei den Kriegern Berufsschaden.
 
Es mag reines Kalkül sein, dass Spiegel TV seine dreiviertelstündige Reportage HOMELAND: ENDSTATION HEIMAT nennt. Doch insbesondere wenn man die iraelische Vorläufer- oder Schwesterserie von Homeland, Hatufim dazunimmt, erscheint die Dokumentation eine passende Ergänzung zu den Fernsehfiktionen.

Von jungen Männern handelt die Doku über die "Armee der zerstörten Seelen", Soldaten, die schreckliches Erlebt haben und darüber daheim nicht oder kaum mehr, als an Posttraumatischer Belastungsstörung Leidende, in den Alltag, das Zivilleben, eine "Normalität" zurückfinden. Unterschiedliche Fälle präsentiert der Film von Karin Assmann (Autorin), vor allem, wenn es um die Be- und Verabeitung geht.

Natürlich: man könnte noch ein bisschen kritischer sein, fragen, was diese Männer antreibt, in einen Krieg zu ziehen, von dem sie nichts verstehen, dabei auch weniger selbstverständlich ein böses System implizieren (was sehr dezent geschieht), dass seine "Söhne" quasi verheizt und überhaupt den Krieg etwas zu einfach als unmenschliche und mehr noch: verunmenschlichende, naturgewaltige Erscheinung beiseite lassen.

Gerade im "Krieg gegen den Terrorismus" braucht es aber eben auch diese Perspektive, eine, die nur auf die Opfer auf - je nach Perspektive - Täterseite (der Invasoren) schaut. Wenn etwas beispielsweise Alex Gibney oscar-prämierte Dokumentation über die Torturen von Abu Ghraib und Guantanamo Bay, TAXI TO THE DARK SIDE (2007) auszeichnet, dann der ungewohnt offene, neutrale Gestus, mit dem er die Militär-Knechte aus der untersten und damit vordersten Reihe zu Wort kommen lässt, sie nicht schont und nicht verdammt.

Zusammen mit den Kriegstraumafilmen der letzten Jahre, mit JARHEAD, IN THE VALLEY OF ELAH, THE MESSENGER oder, prominent, THE HURTLOCKER, kommt einem eingedenk der Figur des gescheiterten, im Stich gelassenen und daheim schwerlich (s)einen Platz findenden jungen Veteranen die Figur des Rambo in den Sinn - der Roman von David Morrell oder bekannter noch die Filmvariante, verkörpert von Sylvester Stallone. Wurde er später zum Innbegriff, sein Name gar Synonym für den martialischen Rüpel, ist der erste Film von 1982 (Originaltitel: FIRST BLOOD), inszeniert von Ted Kotcheff noch tragisch-kritisch, auch ernsthaft; später Ausläufer des New Hollywoods.

Erwartet uns, fehlt uns gar ein - gleichmaßen symbolträchtiges - Äquivalent zu den Afghanistan- und Irakkriegsheimkehreren, als Wiederkehr des Verdränkten, fleischgewordener Blowback des eigenen Volkes?

Zumindest wäre es eine markante Idee gewesen, auch die bisweilen obsessive Agentin Carrie in HOMELAND nicht als Opfer der eigenen Biochemie auszugestalten, sondern als direkt psychisch geschädigte qua Profession, was der Serie enorme Sinn- und Bedeutungspotenziale beigegeben hätte ...

Die Reportage HOMELAND: ENDSTATION HEIMAT finden Sie HIER auf der Spiegel-TV-Website.

zyw

 




08.10.2013

MOOC „T u. CT: Comparing Theory and Practice“ (III)

Probleme

Eine Woche später und vom MOOC des Prof. Bakker wie überhaupt von diesem E-Learning-Prinzip  bin ich positiv gestimmt, sehe aber einige, wahrscheinlich typische Probleme.

Zwischen der Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM) in Lüneburg von Donnerstag bis Samstag letzter Woche und der - interssant besuchten und besetzte - Arbeitstagung plus dem Workshop des Netzwerk Terrorismusforschung e.V. in Berlin finde ich weder rechte Zeit noch Muße, mich dem Online-Kurs zu widmen (klar, während der GfM-Zusammenkunft auch nicht).

Überdies zeigt sich, dass das Programm, das Prof. Bakker und sein ICCT fahren, recht anspruchsvoll ist - zumindest, wenn man ihn richtig und mit gutem Gewissen "nutzen" will. Die Texte auch in bzw. für die zweite Woche werde ich in Gänze nicht schaffen, zumindest nicht die für den Advanced Track (dessen Quellen man sie ohnehin selbst besorgen muss), und das erste Wochen-Quiz verschiebe ich lieber (wie das morgen anstehende, zweite) lieber nach hinten.

Das geht, die Deadline für alle ist erst im November. Aber spätestens hier wird klar, dass Arbeitsaufkommen hin oder her, so ein MOOC zur Prokrastination verführt. Ein klassisches Problem des Fernstudiums, wie mir jemand versicherte, der an der Fernuni Hagen studierte: der Mangel an äußerem Druck, dranzubleiben.

Sicher, die Zeit kann sich jeder selbst einteilen, ein klarer Vorteil. Dadurch aber sammeln sich schnell der Stoff der Videos und die zu lesenden Texte an, was wiederum negativ auf die Motivation wirkt. Ausserdem verpasst man "sozial" den Anschluss. Wer während seines Studiums mal außerhalb gewohnt hat und nicht an der "Lehr-Community" der Kommiliton_Innen partizipierte, wird ahnen, was ich meinen, obwohl sich hier der Aspekt Räumlichkeit eben eher auf den der Zeitlichkeit verlagert.

Hinzu kommt der Anspruch. In der ersten Woche hatte ich mich eher noch geirrt: Prof. Bakker verlangt so einiges. Wenigstens ist der MOOC nichts, was sich so nebenbei unverbindlich erledigen ließe (vielleicht bin ich aber auch nur zu skrupulös). Jedenfalls aber macht das Assignment für den Advanced Track deutlich: hoppla, hier meint es jemand ernst. Als Fortgeschrittener gibt es eine Hausaufgabe. Diese wird bewertet von anderen Kursteilnehmern, wobei man - ebenfalls Teil der Aufgabe - selbst vier andere Texte "benoten" muss.

Aufgabenstellung:

"The European Union maintains a list of persons, groups and entities subject to specific measures to combat terrorism. In this assignment, you will have to explain why you think a certain group that is currently not on this list, in your eyes should be on the list.

In a second text box (maximum 400 words) you have to add a list of sources, as if it were your footnotes. In the first answerbox indicate footnotes like this (1) and in the second box describe your source per number. Use at least two sources.

Before proceeding to the exact question you have to answer, please read the course syllabus where you can find more information about the use of sources. Keep in mind that the quality of the used sources will be a very important aspect of your grade.

Deadline ist der 14. Oktober, also gerade mal noch eine Woche, die Evaluationen der anderen Texte (sowie des eigenen -- hä?!) soll bis zum 21. Okt. erfolgen.

Schaffe ich leider nicht. Schade. Mal davon abgesehen, dass es eine relativ anspruchsvolle Aufgabe ist. Eine noch nicht erfasste Terrororganisation. Begründen. Belegen. Hallo, seit wann mach ich mal so nebenbei die Arbeit der EU? Aber Bakker und sein Team haben es mit der EU-Terrorliste; in einem der aktuellen Videos lässt der Leiter des ICCT durchklingen, dass sie an einem Forschungsprojekt dahingehend sitzen.

Was einmal mehr zeigt: MOOC sind auch gut dazu, willige und interessierte Probanten zu aquirieren. Zu beiderlei Gewinn, wohlgemerkt! Beide Seiten können profitieren. Und keiner bekommt etwas dabei auf dem Präsentierteller. Ähnlich dürfte es sich auch mit dem Forum verhalten. Dort sind innerhalb kurzer Zeit Unmengen an Kommentaren zu den diversen Themen aufgelaufen, haben sich - wie berichtet - Gruppen gefunden und gegründet, Diskussionen zur "Fünften Welle" oder dem Begriff bzw. Konzept Terrorismus stattgefunden.

Bakker lobt das Engagement in einem seiner neuen Videos für die Woche #2 - ein positives Gefühl: per Video nicht nur fertige Lehrkonserven zu liefern, sondern auch direkt auf die Entwicklung des Kurses zu reagieren.

Auch die Hinweise auf weitere Filmgruppen stellt er heraus, bedankt sich für den Hinweis auf den indischen Film BLACK FRIDAY (ätsch, kannte ich schon! :-)). Der Nachteil des Forums ist aber, dass es schnell zu viel und zu unübersichtlich wird. Während ich in Lüneburg war, wurde mein Mailfach von täglich 20 bis 70 Hinweisen zugemüllt. Jemand habe meinen Beitrag kommentiert. Vermutlich haben die meisten aber, die generell zum Thema "Fünfte Welle des Terrorismus" etwas posten wollten, sich vertan und statt allgemein etwas einzustellen, klemmten sie sich einfach sich an meinen Threat dran.

Weiß ich nicht, die Fülle der Beiträge habe ich nicht durchsehen können ...

Damit sind wir schon beim zweiten großen Magengrimmen, weleches so ein MOOC bereiten kann: das der Technik im weiteren Sinne.

Da ist die schiere Fülle von Wortmeldungen, die sich zu unterschiedlichen Themen ansammeln, aufhäufen, und Bakker selbst freut sich zwar über die Ressonanz (von mittlerweile rund 25.000 Teilnehmern), aber die herausfordernde Aufgabe der Auswertung, die Bakker anspricht (wieder so ein Hinweis daraus, dass wir User an einem Forschungsprojekt partizipieren), sie wird seinen Mitarbeitern noch ordentlich Mühe machen.

Ein generelles Phänomen der Netzöffentlichkeit lässt sich hier exemplarisch finden, eines, das auch die Skandale um digitale Überwachung zumindest etwas relativiert (selbst beim Verweis auf "Data Mining"): Wenn sich zu viele äußern (oder eben: Äußerungen erfasst werden), bleibt (fast) jeder - im Effekt - irgendwie stumm (oder: unhörbar), einfach weil das (unterscheidende) Zuhören nur mehr sporadisch erfolgen kann (meist beschränkt auf die ersten Posts zu einem Threat). Dies zeigen allein die vielen Wiederholungen von Fragen, Ideen, Thesen, die sich auf der Rezeptionsseite widerspiegeln. Was freilich für eine qualitative (inhaltsanalytische) Auswertung schon wieder gewinnbringend ist bzw. sein kann. Wenig aber für einen Habermas'schen Diskurs, der bei solchen Open-Learning-Projekten zumindest ideel allzu leicht in Anschlag gebracht wird. Hier jedenfalls besteht noch Innovationsbedarf.

Problem Technik meint jedoch in diesem Zusammenhang auch ganz profan: Soft- und Hardware daheim beim Nutzer.

Zwischen Lüneburg und Berlin ist mein geliebtes Notebook, das ich mir zum Verfassen der Dissertation angeschafft hatte (und das ja tatsächlich mich zu deren Ende - na ja fast, nicht zur Druckfassung - trug), verlassen. R.I.P. Der bereits vorher bestellte Ersatz (nein, ich sah das Ende nicht kommen!), war zwar bestellt udn da, eigentlich aber dann doch nicht (eine andere Geschichte), so dass ich mich meinen Alt-Desktop-PC reaktivieren musste. Eine Reise in der Vergangenheit, Windows XP, und die gespeichertes Short-Cuts-Bilder im Browser Opera von längst (so) verblichenen populären Sites - sie konnten einem Tränen in die Augen treiben.

Freilich - und um zum Thema zurück zu kommen: Trotz Update der Browser, von Flash, Java, der Video-Codecs etc. und bei allem zu geringen Arbeitsspeicher, veralteter Grafikarte etc. gibt es technische Hindernisse:

Die aktuellen Video-Lectures von Prof. Bakker ruckeln (HTML 5 oder Flash, egal), Ton und Bild sind teilweise assynchron ... Wäre nicht so schlimm, schließlich sind die meisten Rechner, die zum Einsatz kommen, egal wie tragbar sie sein mögen, sicher "more up to date" als meiner. Und ob Herr Bakker nun flüssig über dem Bildschirm gestikuliert oder nicht, kann egal sein. Problematisch wird es aber, wenn die eingebetten (oder aufgesetzten) Fragebögen - zumindest im meinem speziellen Fall - nicht angezeigt werden.

Einmal mehr also wird klar, dass zwar so ein MOOC mehr ist als nur Videos und PDF-Texte (oder Links), dass aber - auch eigentlich ein triviales Phänomen - neue E-Learning-Tools bei allem Appeal für die Allgemeinheit (insbesondere auch eine ältere) tendenziell zu sehr auf die aller aktuellsten Machbarkeiten fixiert sind. Ohne zu bedenken, ob der "Endnutzer" womöglich hinreichend ausgestattet, versiert oder schlicht willens ist, sich auf diesen Stand (und Standard) einzulassen bzw. aufzuschließen. Ein nicht mal mehr untypisches Beispiel für die neue(re) Form der "digitialen Kluft" (neudeutsch: Digital Divide): eine, die unsichtbarer ist, als sie weniger Computer zählt oder Internetanschlüsse als auf der Ebene der Praxis und Disposition ansetzt.

Übrigens: zur von mir angeregten "Study Group" (der ersten und bislang einzigen deutschen!), bei der ich zum Treffen auf dem NTF-Workshop in Berlin anregte, gab es bislang nur zwei Feedbacks. Andere Länder sind wohl terrorismusinteressierter ;-)

Ansonsten hat Prof. Bekker Alex P. Schmid in sein Bücherwand-Büro geladen und bewirbt dessen Buch, befasst sich in erneut 5 Videos diesmal konkret mit dem Feld "Terrorism Studies" (die ich leider ja noch nicht gesehen habe ...) und hat als "Extra Video" der zweiten Woche ein Interview mit Akinola Olojo (Visiting Research Fellow des ICCT) eingestellt, zum Thema "the lack of non-Western researchers in Terrorism Studies" - wobei man sich ergänzend ein Gespräch zum Thema "lack of interst" des Westens bezüglich der Afrika, Lateinamerika und Fernost wünscht ... 


zyw

01.10.2013

MOOC „T u. CT: Comparing Theory and Practice“ (II)

Erfahrungsbericht

In der ersten Woche des MOOC "Terrorism and Counterterrorism: Comparing Theory and Practice" von Prof. Dr. Edwin Bakker geht es um "Definition und essence of terrorism".  Drei Texte "Required Readings" stehen bereit, neun weitere als extra Lesefutter. Neu am 1. Oktober hinzugekommen sind drei Textverweise, wie sie auch in den Videos angesprochen werden: die EU- sowie die USA-Terroristenliste, außerdem die UN Al-Qaida Saction List vom 20. Sept. diesen Jahres.

Viel davon mir zu Gemüte führen konnte ich aus Zeitgründen nicht, der zentrale aber ist ohnehin Rapoports "Vier-Wellen-Theorie". Sechs Video sind anzuschauen, jedes zwischen fünf und zwölf Minuten lang. Zu sehen ist Prof. Dr. Bakker vor der Bücherwand seines Büros, wobei Kernthesen und Begriff eingeblendet werden. Immer mal wieder wird das Video (beim ersten Durchgang) unterbrochen, damit man als ZuschauerIn bzw. KursteilnehmerIn kleinere Multiple-Choice-Tests absolvieren kann. Gefragt wird aber auch (anonym) u.a. nach den Wörtern für Terrorismus im eigenen Land, sogar, wie wir wohl meinen, dass die nächste, kommende, die fünfte "Welle" aussehen mag (lt. Jeffrey Kaplan ist sie schon da).

Generell sind die Lektionen eher allgemein und nicht sonderlich tiefgründig gehalten. Was genau man unter Terrorismus letztlich zu verstehen hat (auch als Arbeitsdefinition) bleibt ein bisschen diffus. Das liegt sicherlich zum einen an dem schwierigen Thema, der Definition bzw. Wesensbestimmung von Terrorismus (immerhin verweist Bakker zuletzt auf Alex P. Schmid, der sich im letzten Video auch kurz zu Wort meldet). Zum anderen ist es wohl ein Problem des Konzepts "MOOC" selbst. Bei über 20.000 Teilnehmern, auf welcher Art Zielstudenten soll man sich ausrichten, welche Vorwissen veranschlagen, welche Aufnahmefähigkeit (u. welche Engagementbereitschaft).

Klar jedenfalls, dass ein solcher Kurs keinen Ersatz für einen echten Kurs darstellt, schon gar nicht für ein Uni-Seminar. Gleichwohl unterhaltsam und lehrreich ist die MOOC allemal; eine Art "Studium generale"-Erweiterung, für eine sehr breite interessierte Öffentlichkeit. Was er zudem kann, als ein kleines Event: die Möglichkeit zum Austausch zu bieten. Über die "fünfte Welle" wird, einen Tag nachdem die Lectures online sind, schon kräftig im Forum spekuliert und diskutiert. Cyberterrorismus wird angedacht, Findige werfen auch Kaplan in den Ring. Ich selbst überlege mir etwas in Sachen Antiglobalisierungs- und -kapitalismusgewalt zusammen, in Europa, aber auch in diversen BRIC-Nationen, wo vielleicht mal neue urbane Sozialrevolutionäre gewaltsam gegen die Besitzverhältnisse, wenn nicht gar gegen das System, vorgehen. Haha: Linksterroristen in der VR China? Na ja, vielleicht aber Neo-Naxaliten in Mumbai und Delhi, Nachfolger oder Genossen der alten Maoisten-Guerilla-Garde  ... Was weiß ich, womöglich sind die Zeiten von großen, internationalen Terrorismus"wellen" vorbei, weil die neu passende, potente und fundamentale "Große Erzählung" dafür fehlt, eine Idee wie die "Nation" oder der "Kommunismus" ... Na, mal sehen, was ich (darauf) noch zu hören bekomme.

Als Beispiel für eine Video-Lecture hier übrigens der rund 16-minütige Film zur "History of terrorism" (Nr. 2 der Wochen-Session). Da es sich um die reine Videodatei handelt, sind die von eingebundenen bzw. von der E-Learning-Plattform darübergelegten Zwischenabfragen selbst nicht enthalten. Der Film selbst wie die übrigen sind übrigens unter Creative Commons Lizenz (und zwar folgender: CC BY-NC 3.0 NL) im Kursbereich downloadbar (Copyright Universität Leiden bzw. Prof. Bakker). Deshalb erlaube ich mir einfach, sie - gem. der Forderung - ebenfalls unter diesen Bedingungen, also unentgeltlich und unter Namensnennung des Urhebers hier über Vimeo einzubinden. 




So aktuell man bei einem solchen MOOC auch sein kann, gerade die Videos erweisen sich als schnell veraltet: In Video "1.4 Why no generally accepted definition?" nimmt Bakker die Hisbollah als Beispiel für Problematik der konsensuellen Einstufung von Gruppen und Organisationen als offiziell "terroristisch" - ehe dann die In-Video-Quiz-Einblendung darüber informiert, das kurz nach Fertigstellung der Aufnahmen am 22. Juli besagte "Partei Gottes" doch auf der EU-Terroristenliste gelandet sei (woraufhin man gefragt wird, ob man das gut finde oder nicht).


zyw

30.09.2013

IN THE DARKROOM: Dokumentarfilm über "Carlos" und "seine" Frauen



Sich der Lebensgeschichte des berühmt-berüchtigten Top- und Mietterroristen "Carlos", dem "Schakal" alias Ilich Ramírez Sánchez hat sich 2010 Olivier Assayas in einem Spielfilm bzw. TV-Mehrteiler angenommen. Der israelische Regisseur Nadav Schivman widmet sich der so schillernden wie mörderischen Figur nun in dem Dokumentarfilm IN THE DARKROOM indirekt, insofern zwei Frauen im Zentrum stehen: die deutsche Magdalena Kopp, langjährige Lebensgefährtin und Komplizin des gebürtigen Venezolaners, sowie Rosa Kopp, die 1986 geborene Tochter der beiden. Unterschiedliche Fragen geht der Film dabei nach: Wie hat es dazu kommen können, zu dem Abhängigkeitsverhältnis der linken jungen Frau, Magdalena, die in den 1970ern im Umfeld der Revolutionären Zellen (RZ) unterwegs war, dem eitlen Egomanen Carlos verfiel und für ihn nicht nur ihr erstes Kind zurückließ, sondern auch ein Großteil der erkämpften Selbstbestimmung? Und was bedeutet es für eine junge Frau heute, für Rosa Kopp, Tochters eines solchen schimärenhaften Mannes zu sein, der aus der französischen Haft (seit 1994) heraus Größenwahn pflegt und fast tragischen Realitätsverlust demonstriert - der kurzum selbst seinem eigenen historischen Imago verfallen ist?

IN THE DARKROOM - der Titel verweist auf die erste Begegnung der Fotografin Kopp mit Carlos - läuft seit dem 26.9. im Kino. Besprechungen finden Sie HIER auf taz.de und HIER auf Süddeutsche.de.

Sehenswert ist ein in der Mediathek des Ersten zu findender Beitrag aus der ARD-Sendung "ttt - titel thesen temperamente" der mit einer bemerkenswert pointierten, im Film nicht enthaltenen Beschreibung des Verhältnis-Charakters der beiden Frauen und des Playboy-Killers im "höheren" Auftrag schließt.

Magdalena Kopps Sicht auf ihr Leben mit dem "Schakal" ist darüber hinaus nachzulesen in ihrer zusammen mit Hanne Reinhardt verfassten, allerdings etwas zwiespältig zu lesenden Biografie Die Terrorjahre - Mein Leben an der Seite von Carlos (2007, dva).

Mehr zum Thema "Carlos" unter Film-Gesichtspunkten finden Sie bei uns auf Terrorismus & Film HIER.

28.09.2013

Mehr als fahrlässig: Hinrichtungsvideo auf Facebook

Wie stern.de berichtet, ist über Facebook eine Video zu sehen, auf dem ein Mann langsam und bestialisch von Vermummten enthauptet wird. Das Video mit dem Titel "Terrorismus in Syrien" wurde bereits mehr als 14.000 mal angeklickt. Facebook selbst, so Marius Gerads und Sebastian Schneider von stern.de, weigert sich, den Post zu entfernen, da quasi auf diese Weise "Voraussetzung für einen gesellschaftlichen Diskurs" geschaffen werde.

Facebook müsse "ein Ort sein (...), an dem es möglich ist, auf Missstände auch mit Hilfe von drastischen oder verstörenden Inhalten aufmerksam zu machen". Jugendschutz.net - von dem Vertreter nächstes Semester auch in meinem Uni-Seminar "Terrorismus transmedial" zu Gast sein werden - spricht hier zurecht von jugendgefährdendem Inhalt. Nicht zuletzt, insofern das Video keinerlei Kontextualisierung aufweist.

Wenn freilich Facebook hier nicht mal eine Grenze zieht und grausamste terroristische Massakrierungen und damit entsprechenden Extremisten Möglichkeit zur Präsentation gibt, wo dann? Zumal dies, so stern.de, nicht der erste derartige Fall ist. Allerdings löschte Facebook nach erheblichen Protesten die Darstellung der Hinrichtung einer Frau im Mai diesen Jahres doch, wie u.a. Spiegel-Online berichtete - und dabei ebenfalls den Gedanken aufwarf, dass durch derartige "Zensur" Oppositionellen in aller Welt schaden könnte: "Wäre das 1972 im Vietnamkrieg entstandene Foto der neunjährigen Südvietnamesin Kim Phuc heute auf Facebook zulässig? Das Foto eines nackten Mädchens mit schmerzverzerrtem Gesicht und Verbrennungen? Es gibt keine einfache Antwort auf die Frage."

Mit einem solchen unhaltbaren ethischen Relativismus - abgesehen von der fragwürdigen Vergleichbarkeit -  kann man freilich jede unregulierte, nicht zuletzt die Opfer entwürdigende Dar- und Zur-Schau-Stellung realer Bestialitäten rechtfertigen. Sicherlich mögende schockierende Bilder ihr Recht haben und bekommen, wenn es darum geht, aufzurütteln, zu mahnen, zu erinnern etc. Doch: a) dazu braucht es eben auch den entsprechenden Kontext, den kommunikativen Rahmen und Ort, der hier weder gegeben ist, noch sich gewährleisten ließe (insofern das Enthauptungsvideo gem. der FB-Logik fröhlich geteilt, damit weiter bereitet und zur "Mutprobe" genutzt wurde). Und b) sollten dann derartige affektiven "Dokumente" immer nur letztes Mittel zum Zweck sein.

Nochmals: Es geht nicht um das Video selbst oder das, was er zeigt. Und sicher haben die schrecklichen Aufnahmen der Holocaust-Opfer in Alain Resnais NUIT ET BROUILLARD / NACHT UND NEBEL von 1955 ihre Berechtigung. Wenn aber Neonazis aus dem Zusammenhang reißen und implizit oder explizit höhnisch auf ihrem Social-Network-Seiten ausstellen würden, wäre dies nicht hinnehmbar.

Dass in der modernen digitalisierten Welt die Verbreitung von Bildern kaum mehr zu kontrollieren oder zu steuern ist, mag sein. Dass man es aber unwidersprochen hinnimmt und in gebotenen Fällen nicht dagegen vorgeht ist jedoch keine echte, lebbare Option.

Inwiefern rechtliche Schritte gegen Facebook einzuleiten sind und entsprechende Sanktionen in Deutschland anzudrohen oder zu verhängen sind (neben dem Meinungsdruck), weiß ich nicht. Ich hoffe aber, dass man mit Facebook und ähnlichen Diensten zu einer langfristigen Lösung kommt, damit nicht immer wieder Einzelfälle auftreten und kritisiert werden müssen.

Darüber hinaus steht nicht mal (und sogar vielleicht weniger noch) nur Facebook in der Pflicht. Insofern der Clip ja nicht direkt auf FB eingestellt ist, sondern dieser über einen Link auf eine Videoplattform (YouTube) dort eingebunden ist, stellt sich mehr noch die Frage, weshalb nicht in welcher Form auch immer eben dieser Anbieter in die Pflicht zu nehmen ist.

zyw 

27.09.2013

MOOC „Terrorism and Counterterrorism: Comparing Theory and Practice“ (I)


Hier der erste kleine Bericht zum (oder vom) MOOC (Massive Open Online Course) des Centre for Terrorism and Counterterrorism der Universität Leiden von Prof. Dr. Edwin Bakker mit dem Titel „Terrorism and Counterterrorism: Comparing Theory and Practice“ (wie HIER angekündigt). Der kostenlose Kurs läuft ab Montag fünf Wochen, und ich als Teilnehmer werden versuchen, hier soweit es geht einen Einblick über den Aufbau und den Verlauf zu geben (wobei mir in der nächsten und übernächsten Woche wohl zwei mehrtägige „live“-Veranstaltungen dazwischen kommen werden).


Schon heute wurde die Kursseite auf der Online-Seminar und -Vorlesungsplattform Coursera samt Begrüßungsvideo von Dr. Bakker freigeschaltet. In diesem stellt er vom Hochhausdach seines Centers die Stadt Den Haag vor. Dabei deutet auf die Gebäude diverser Institutionen, die in der Stadt ansässig und für das Thema relevant ist, verweist aber auch auf „Tatorte“ von Terroraktionen wie die französische Botschaft, die 1974 von Mitgliedern der Japanischen Roten Armee (JRA) gestürmt wurde oder das Versteck, in dem die RAF Hanns Martin Schleyer gefangen hielt.

In seinem Büro dann gibt es eine kurze Übersicht über den Kursverlauf. In der ersten etwa geht es um die Definition und das Wesen von Terrorismus, in der zweiten um das Feld der Terrorism und Counterterrorism Studies. Jeden Montag um 12 Uhr (CET) wird eine neue Video-Lecture von Bakker eingestellt, am Mittwoch folgen „Reflexionen“ zu den Ergebnissen der Fragebögen und Meinungsumfragen unter den Kursteilnehmern.

Diese sind keine passiven Rezipienten: Vorgesehen sind verbindliche Quizzes und Fragebögen; die „required readings“ für die gesamte Zeit stehen als PDFs jetzt schon für die ersten zwei Wochen bereit. Darunter finden sich u.a. David C. Rappaports „Four Waves or Rebel Terror and September 11“ (ein Update von Rappaports klassischer „Vier-Wellen“-Ansatz), Alex P. Schmids, „50 Un- and Under-researched Topics in the Field of (Counter-) Terrorism Studies“ aus dessen Online-Journal Perspectives on Terrorism und – natürlich – Texte von Bakker selbst.

Zur gemeinsamen Interaktion gibt es ein Wiki und ein Diskussionsforum; Meetups sind vorgesehen.Zugriff hat man über eine links angeordnete Leiste, unterteilt in die Rubriken "Course" (Ankündigungen, "Syllabus" und FAQs), Content (die Video-Lectures, das Forum etc.), die Übungen und "About the Course". Wie gewohnt von solchen Plattformen ist der Layout einfach und funktional gehalten, weiß, mit schwarzer und blauer Schrift, wobei man sich - auch das nicht neu - erst in die Systematik oder "Architektur" eines solchen Kurses einfinden muss, die als zeitlich angelegtes und ausgerichtetes Lehrangebot gefühlt merkwürdig unlinear daherkommt.

Ebenfalls vorhanden: Eine Liste empfohlener Filme (nicht erforderlich für den  Kurs selbst), die leider ein bisschen wirr daherkommt, nicht zuletzt, weil sie die Kategorien „Fiction“ und „Non-Fiction“ inhaltlich darauf bezieht, ob es sich um einen erfundenen Fall von Terrorismus handelt oder nicht. Hinzu kommt, dass „Fiction“ definiert wird als ("only indirectly linked to terrorism and counterterrorism") – obwohl sich hierin PARADISE NOW und THE SIEGE wiederfinden wie auch der Oscar-prämierte TAXI TO THE DARK SIDE von Alex Gibney, der wiederum merkwürdigerweise nicht in die dritte Kategorie „Documentaries“ gekommen ist …
  
Zwei Arten von „Tracks“ kann man als Teilnehmer des MOOC verfolgen, „Basic“ und „Advanced“. Ersteres setzt die erfolgreiche Teilnahme am jeweiligen Wochenquiz (mit der Videolektion als Grundlage) teil sowie ein finales „Examen“ (zu absolvieren zwischen dem 1. Und dem 11. November). Als „Fortgeschrittener“ erwarten einen zusätzlich je zwei „Peer Assignments“ und „Peer Reviews“. Das heißt, dass sich die Kursteilnehmer untereinander bewerten / kommentieren werden, was bei der Masse der Teilnehmer natürlich nicht nur eine didaktische Idee ist. Insgesamt, so informiert die „Willkommen“-Seite, haben sich über 20.000 Personen aus 136 Ländern angemeldet. Und der Austausch zwischen diesen ist eminenter Bestandteil des Kurses, so Bakker.

Mehr dazu also nächste Woche.

zyw   

13.09.2013

1. Fachtagung des Netzwerk Terrorismusforschung e.V. am 10. Okt. in Berlin

Kaum neu als eingetragener Verein gegründet, veranstaltet das Netzwerk Terrorismusforschung im kommenden Oktober nicht nur seinen halbjährlichen - nun 13. - Workshop (10. u. 11. Okt.), sondern auch die erste, öffentliche Fachtagung. Am Donnerstag den 10. Oktober werden hochkarätige Sprecher (darunter Dr. Guido Steinberg) zum Phänomen des "lone-wolf"-Terroristen und Radikalisierung im Zeitalter des digitalen Wandels sprechen in der U.

Die Veranstaltung in den Räumen der UDK in Berlin ist öffentlich und kostet keinen Eintritt. Eine Anmeldung per E-Mail an info(at)netzwerk-terrorismusforschung.org ist allerdings nötig.  


Hier das Programm des ersten Tages bzw. der Fachtagung; die gesamte Agenda samt NTF-Vorträgen am 11. Okt. finden Sie HIER.


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1. Fachtagung im Rahmen des 13. Workshop des Netzwerk Terrorismusforschung e. V. (10.-11.10.2013, Berlin) 

Eine kostenfreie Veranstaltung des Netzwerk Terrorismusforschung e. V. am Arbeitsbereich Internetsoziologie an der Universität der Künste Berlin (Grunewaldstr. 2-5 in Schöneberg / Berlin). Eine  Teilnahme ohne Vortrag sowie für Nicht-Mitglieder ist ebenfalls möglich und erwünscht! Unverbindliche Anmeldung per Email oder Telefon erbeten.

 Uhrzeit: jeweils um 08:45 Uhr
Ort: Universität der Künste Berlin, Hörsaal (EG) des Medienhauses
(Grunewaldstr. 2-5 in Schöneberg / Berlin)

Teilnehmer: öffentliche Veranstaltung
Die Teilnahme ohne Vortrag sowie für Nicht-Mitglieder ist ebenalls möglich und erwünscht!

Gebühr: kostenfreie Veranstaltung

Anmeldung: Unverbindliche Anmeldung per Email oder Telefon bis 07.10.13 erbeten

Thema:
Terrorismus und Extremismus im Wandel - Das Phänomen des "einsamen Wolfs" (‚lone-wolf’) Radikalisierung im Zeitalter der digitalen Gesellschaft.

Innerhalb des Bereichs Terrorismus, Extremismus und Fundamentalismus scheint sich eine neue Form herausgebildet zuhaben, die sich von den bisher gekannten klassischen Organisationsformen unterscheidet, nämlich die des "einsamen Wolfs" ('lone wolf'). Sind in der zurückliegenden Zeit Gruppen meist im Kontext gewisser politischer und/oder religiöser Bewegungen entstanden, so treten die "einsamen Wölfe" aus dem Schatten aller Spektren der politischen und religiösen Weltanschauungen hervor und stellen aus dem Blickfeld der Sicherheit ein aktuelles Phänomen des weltweiten Bedrohungsrisikos mit äquivalentem Gefahrenpotential dar, wie u. a. die Beispiele (Oslo/Norwegen, Fort Hood 2009/USA, Bosten 2013/USA, 'Kofferbomber 2006'/Düsseldorf, 'Mordanschlag 2011'/Frankfurter Flughafen 2011, ...) belegen. Es scheint, dass verschiedenste Kommunikationsangebote des Cyberspace und sozialer Medien einen wesentlichen Baustein in Radikalisierungsprozessen von „Einzelgängern“ und „Vigilanten“ ausmachen, gleichzeitig dies aber auch von ihnen als eine Bühne für ihr persönliche Darstellung und Rechtfertigung genutzt wird.

Die Veranstaltung des Netzwerks Terrorismusforschung e. V. möchte dazu einladen, auf gewohnt multidisziplinärer Ebene diesen Themenkomplex auszuloten. Das Programm wird an beiden Tagen dazu vielfältige Möglichkeiten bieten. Am 1. Tag wird eine Fachtagung mit Gastvorträgen und einer Podiumsdiskussion wird die Veranstaltung eröffnen. Am 2. Tag können promovierende Wissenschaftler/Innen und Fachleute die Möglichkeit nutzen, ihre Projekte und Arbeiten bzw. Thesen vorzustellen. Dabei ist die Veranstaltung natürlich wie immer nicht nur auf den übergeordneten Themenbereich beschränkt, sondern bietet auch Raum für die Vorstellung anderer terrorismusbezogener Vorträge und Arbeiten. Registrierte Teilnehmer/Innen können eine Teilnahme- sowie eine Weiterbildungsbescheinigung erhalten.

Am Vortag (09.10.2013 um 20 Uhr) findet in der UdK die Sitzung des Vereins Netzwerk Terrorismusforschung statt.


Programm:

Tagungsprogramm, Tag 1 - 10.10.2013:
1. Fachtagung des Netzwerk Terrorismusforschung e. V.

8:45 Uhr Begrüßung und Eröffnung
Fachtagung: Terrorismus / Extremismus und Fundamentalismus im Wandel



09:00 Uhr Gastredner 1 zum Kontext Terrorismus / Extremismus:
Individuation und kollektive Identität – Kontextualität in Radikalisierungsprozessen
(Dr. Ursula Gasch, Leiterin des Institut für Kriminalpsychologie in Tübingen)

„Frau Dr. Gasch studierte Rechtswissenschaften, Kriminologie und Psychologie in Tübingen. Sie ist Fachpsychologin für Klinische Psychologie und Psychotherapie (BDP) und Notfallpsychologin (BDP) und verfügt über langjährige Erfahrung als Beraterin der Polizei / Verhandlungsgruppenpsychologin (Erstellen von Gefährdungsanalysen, Auswertung von Täterbotschaften, Einsatzunterstützung betreffend Entführungen, Geiselnahmen und Erpressungen; Mitwirkung im Rahmen diverser Sonderkommissionen; Aus- und Fortbildung). Weiter berät Dr. Gasch diverse Unternehmen und Institutionen (Krisenmanagement / Prävention) und ist als Forensisch-Psychologische Sachverständige für die Justiz tätig. Neben fortgesetzten Lehrtätigkeiten, z.B. an Einrichtungen der Polizei, Universitäten, Steinbeis-Hochschule GRC Berlin, Deutsche Psychologen Akademie etc. ist sie regelmäßig als Referentin auf nationalen und internationalen Tagungen sowie in Publikationen mit Beiträgen zu polizeilichen, kriminalistischen und forensisch-psychologischen Themen vertreten. Ihr therapeutischer Fokus liegt auf der Behandlung traumatisierter Personen nach schwerer Gewalterfahrung.“

09:45 - 10:10
Kaffeepause / Möglichkeit des persönlichen Austauschs

10:15 Uhr Gastredner 3 zum Kontext Islamismus:
Individueller Jihad
(Dr. Guido Steinberg, Stiftung Wissenschaft und Politik, Deutsches Institut für Internatio-nale Politik und Sicherheit, Berlin)

„Herr Dr. Steinberg ist promovierter Islamwissenschaftler und Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Bis Oktober 2005 arbeitete Guido Steinberg als Terrorismusreferent im Bundeskanzleramt. An der SWP erforscht er die Politik des Nahen Ostens – mit einem Schwerpunkt auf der Arabischen Halbinsel und dem Irak – und den islamistischen Terrorismus. Er hat zahlreiche Bücher und Artikel zur saudi-arabischen und irakischen Geschichte und Politik, Islamismus und Terrorismus publiziert. Zuletzt von ihm erschienen ist: »Der nahe und der ferne Feind. Die Netzwerke des islamistischen Terrorismus« (Beck 2005).“


11:00 - 11:25
Kaffeepause / Möglichkeit des persönlichen Austauschs / Sammlung von Zusatzfragen für die Podiumsdiskussion


11:30 Uhr Gastredner 4 zum Kontext Fundamentalismus:
Kränkung und Gewalt – Fundamentalismus als politische und kulturelle Radikalisierung
(Prof. DDr. Franz Gmainer-Pranzl, Leiter Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen, Paris Lodron Universität Salzburg)

„Herr Prof. DDr. Franz Gmainer-Pranzl ist seit 2009 Univ.-Prof. und Leiter des Zentrums Theologie Interkulturell und Studium der Religionen an der Universität Salzburg. Als promovierter Theologe und Philosoph mit der Habilitation im Fach Fundamentaltheologie (Universität Innsbruck) liegen seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte auf: Interkulturelle Philosophie, kontextuelle Theologien, Ansätze von „Theologie interkulturell“, Theorien der Erfahrung des Fremden. Gleichzeitig ist er in verschiedensten wissenschaftlichen Institutionen und Arbeitsbereichen Mitglied bzw. engagiert wie z.B. Forschungszentrum RGKW (Religion - Gewalt – Kommunikation – Weltordnung) an der Kath.-Theol. Fak. der Univ. Innsbruck, Mitglied der Redaktion von „polylog. Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren“ (Wien) sowie von „Religionen unterwegs“ (Kontaktstelle für Weltreligionen, Wien) und ist durch mehrere Reisen nach Afrika, Asien und Lateinamerika in verschiedene interkulturelle und interreligiöse Projekte eingebunden.“


12:15 – 13:20 Uhr
Mittagspause / Möglichkeit des persönlichen Austauschs


13:30 Uhr Gastredner 5 zum Kontext Linksextremismus:
Antisemitismus in der Linken - Einzelmeinung oder Massenphänomen
(Dr. Stephan G. Humer, Forschungsleiter Universität der Künste Berlin)

„Herr Dr. phil. Stephan G. Humer ist Diplom-Soziologe, Universitätsdozent, Gründer und Forschungsleiter des ersten Arbeitsbereichs Internetsoziologie in Deutschland an der Universität der Künste (UdK) Berlin.Seit 2008 leitet er das Forschungsvorhaben “Networked Systems” in der Digitalen Klasse der UdK. Er ist Mitgründer der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit e.V., aktiv im Forschernetzwerk “Surveillance Studies” (Uni Hamburg) und in der Arbeitsgruppe “Identitätsschutz im Internet” (Uni Bochum). Seit März 2013 ist Herr Humer zudem Vorsitzender des "Netzwerk Terrorismusforschung e. V."“


14:15 - 14:40
Kaffeepause / Möglichkeit des persönlichen Austauschs / Sammlung von Zusatzfragen für die Podiumsdiskussion

14:45 Uhr Gastredner 6 zum Kontext Rechtsextremismus:
Mechanismen von Radikalisierungspfaden und Chancen der De-Radikalisierung
(Dipl.-Kriminalist Bernd Wagner, Geschäftsführer der ZDK Gesellschaft Demokratische Kultur, Berlin)

„Herr Dipl.-Kriminalist Bernd Wagner studierte in Berlin Kriminalistik und war in der DDR und in der Bundesrepublik Kriminalpolizist, zuletzt im Staatsschutz. 1997 gründete er die heutige gemeinnützige GmbH ZDK Gesellschaft Demokratische Kultur. Im Jahr 2000 folgte die Gründung der Initiative EXIT-Deutschland und 2008 die Mitgründung des AKTIONSKREISes ehemaliger Rechtsextremisten. 2010 gründete Wagner die Arbeitsstelle Islamismus und Ultranationalismus (AStIU) mit, die sich mit menschrechtsfeindlichen Ideologien und Bewegungen beschäftigt. Herr Wagner veröffentliche zahlreiche Publikationen wie z.B. das „Handbuch Rechtsextremismus“ (1994) und das „Handbuch Rechtsradikalismus“ (2002) , „Jugend Gewalt Szenen“ und „Rechtsextremismus und kulturelle Subversion“. Unter seiner Leitung wurden Kommunalstudien zu Fragen von Demokratie und Extremismus in den neuen Bundesländern durchgeführt und das Beratungslabel Community Coaching entwickelt und erprobt. 2012 gründete er das Institute for the Study of Radical Movements (ISRM) mit."


15:30 - 15:40
Pause / Möglichkeit des persönlichen Austauschs / Sammlung von Zusatzfragen für die Podiumsdiskussion


15:45 Uhr Podiumsdiskussion der Experten mit Moderation
(Dr. Ursula Gasch, Dr. Guido Steinberg, Univ.-Prof. DDr Franz Gmainer-Pranzl, Dr. Stephan Humer, Dipl. Bernd Wagner, N.N..)


17:00 Uhr
Abschlussrunde und Zusammenfassung der Fachtagung

17:30 Uhr
Ende der Fachtagung und Beginn des Workshop


Zum Netzwerk Terrorismusforschung:

Das Netzwerk Terrorismusforschung (NTFeV) ist ein in Deutschland eingetragener Verein (e. V.) von  mittlerweile knapp 500 jungen internationalen WissenschaftlerInnen aus verschiedenen Disziplinen, die sich mit Fragen und Problemen aus den Bereichen Terrorismus und Terrorismusbekämpfung, Extremismus und politische Gewalt befassen. Es soll Kontakte schaffen und als Forum dienen für Ideen- und Informationsaustausch, Projektvorstellungen und gemeinsame Projekte. Neben dem Internetauftritt und einer Mailingliste dienen hierzu regelmäßige Workshops, die halbjährlich stattfinden.

Das Netzwerk steht darüber hinaus Interessierten aus Forschung, Medien, Behörden und Politik offen und für Anfragen – z.B. für den Kontakt mit Experten bei spezifischen Fragen – zur Verfügung.

Interessenten sind herzlich willkommen und werden gebeten, sich per Email bzw. Kontaktformular an den Vorstand zu wenden.

http://www.netzwerk-terrorismusforschung.org

07.09.2013

HENNESSY (1975) - Prototyp des tragischen irischen Terroristen


In meiner Doktorarbeit, die ab Mitte Oktober veröffentlicht werden "darf", ist auch von Don Sharps Film HENNESSY aus dem Jahr 1975 die Rede. Der v.a. in den 1960ern populäre Rod Steiger (Oscar-Gewinner für seine Rolle als rassistischer Sheriff in IN DER HITZE DER NACHT von 1967) spielt darin einen apolitischen Nordiren, der durch den Tod von Frau und Tochter radikalisiert einen Anschlag auf die britische Königin plant und dabei sowohl von der IRA wie von den Briten gestoppt werden soll.

Die Figur des Hennessy ist ein frühes Beispiel dafür, wie der Nordirlandkonflikt und vor allem ein bestimmter Typus des IRA-Kämpfers politisch austariert konstruiert wurde, um sowohl die Gewalt der radikalen Republikaner ablehnen zu können, wie ihnen in ihrer Motivation zugleich eine gewissen Nachvollziehbarkeit in ihrer militanten Gesinnung zuzusprechen (und damit eine Art Entgegenkommen oder zumindest Verständnis zu signalisieren). Schnell wurde der Film, wie das obige Plakat zeigt, zu einem "cause célèbre" stilisiert, sah sich freilich in Großbritannien tatsächlich auch der Zensur unterworfen. Ein Hinweis auf die Brisanz, die in jener Zeit bzw. der konfliktpolitischen Situation solchen heute relativ harmlosen Filmen zukam.

So ist es insbesondere nach der Kriminialisierungsstrategie unter Thatcher eine individuelle "grievance", die in den bisweilen bürgerkriegsähnlichen Zustände in Ulster zur individuellen, psychologischen Leiderfahrung singularisiert beigemessen wurde, und die als Motor für die Handlungen der Radikalen herhält. Sie erklärt sie zu Opfern, die zu Tätern werden - der unselig (und relativ unpolitische) Kreislauf der Gewalt als dramaturgisches Grund- und Begründungsmodell. Bis in die Gegenwart hinein, aktuell mit SHADOW DANCE (dazu hier demnächst mehr) ist dies eine gültige, konventionelle und quasi-versöhnliche Dramaturgiestruktur. Eine, die sich auch im Bereich der Post-9/11-Filme zum Thema islamistischer Terrorismus in Kino und TV-Serien (HOMELAND, SLEEPER CELL) etabliert hat, nicht zuletzt, weil sie eine gewisse Ausgewogenheit impliziert.

HENNESSY selbst ist beachtlich, weil der Film schon relativ früh - gerade mal drei Jahre nach dem bedeutungsschweren "Blutsonntag" in Londonderry, bei dem britische Soldaten auf katholische Demonstranten schossen - auf dieses Erklär- und Erzählmodell zurückgreift, und es mit außerordentlicher Mühe (oder aber: "Sensibilität") ausbuchstabiert. So werden die tödlichen Schüsse, denen Hennessys Frau und kleine Tochter zum Opfer fallen, als (halber) Unfall gezeigt. Es ist die Folge einer Konfrontation zwischen Steine werfenden Demonstranten und den Militärs. Beiden wird eine Art Gleichrangingkeit zumindest insofern zugestanden, als sie auf dem selben Level operieren. Die Sicherheitskräfte mit ihren Plexiglasschilden sind relativ gut geschützt, verhalten sich besonnen. (Deutlich wird hier: es handelt sich um ein primär britische Produktion). Erst als ein radikaler Heckenschütze (zu lesen als kühl-militante, auf Eskalation ausgerichtete Provisional-IRA) bezeichnenderweise von der Seite her auf die Uniformierten schießt, fällt der Soldat zu Boden und feuert unfreiwillig in die Menge. Dass und wie dies ein Unfall ist, macht der Film noch deutlicher, indem der junge Soldat selbst fassungslos auf das Leid blickt, das er angerichtet hat. Und - zur endgültigen Verdeutlichung der Heimtücke der Terroristen, die nur sehr bedingt mit den Protestierenden zu tun haben, die ihm selbst indirekt zum Opfer fallen - wird ihm, drastisch inszeniert, in den Kopf geschossen. Bemerkenswert auch, wie Hennessy und seine Familie auch räumlich betont als Uninvolvierte gezeigt werden (während ansonsten die katholischen Zivilisten bis hin zu den Hausfrauen als antibritisch skizziert werden).

Dies ist so einerseits platt, wie anderseits symbolisch hochwertig. Erinnert sei daran, dass die britischen Truppen tatsächlich in Nordirland zur Befriedung der Situation zwischen Protestanten und Katholiken eingesetzt wurden - und dabei anfangs in katholischen Communities entsprechend begrüßt wurden (wobei die "alte" IRA erheblich an Einfluss verlor). Dass nun die britischen Soldaten nur durch gemeine Attentate ungerechter Weise zum Aggressor werden, ist natürlich eine Mitte der 1970er Jahre eminent politisch tendenziöse Sichtweise. Zugleich verweist sie aber auf die reale Asymmetrie-Problematik, die bis in die Gegenwart hinein - etwa die von einem Bundeswehroffizier angeordnete Bombardierung von zwei Tanklastzügen in Afghanistan mit über hundert zivilen Opfern als Folge - aktuell ist und bleibt: Wie verbleibt eine Friedenstruppe als eben solche, wenn es Extremisten auf Eskalation angelegt haben; wenn der "Goliath" sich nicht wehren kann, die Attacken des "David" auszuhalten hat, weil jede Gegenmaßnahme gegen ihn gewendet werden kann?

Der Film HENNESSY, auch wenn er in vielen Filmtexten zu dem Thema Nordirlandkonflikt genannt wird, ist - leider - einer, der bisweilen mit "B-Movie"-Stempel versehen, filmisch interessant, aber heute praktisch kaum mehr verfügbar ist. Es gibt bislang keine DVD-Auswertung, und nur sehr sporadisch tauchen VHS-Kaufkassetten bei Amazon und anderen Plattformen zum Verkauf (auch in der deutschen Fassung unter dem leicht dümmlichen Titel CODEWORT: HENNESSY) auf.

Umso dankenswerter ist es, dass der US-Sender TCM (Turner Classic Movies) zumindest die oben beschriebene Szene als eine von dreien auf seiner Website präsentiert (s.u.).

zyw

P.S.: Falls Sie den Film besitzen oder eine Bezugsquelle kennen, wäre ich sehr interessiert.




30.08.2013

Online-Kurs zum Thema Terrorismus u. Antiterrorismus



Das Centre for Terrorism & Counterterrorism (CTC) der Universität Leiden bietet in Kooperation mit dem Centre for Innovation The Hague der Uni Den Haag einen sog. MOOC (Massive Open Online Course) zum Thema "Terrorism and Counterterrorism: Comparing Theory and Practice" an. Geleitet wird der von Prof. Dr. Edwin Bakker, Direktor des CTC. Der Kurs beginnt am 30. September und dauert 5 Wochen, Arbeitsaufwand sind 4 bis 6 Stunden pro Woche. Die Teilnahme ist kostenlos.

Hier offizielle Infos:

Terrorism and Counterterrorism: Comparing Theory and Practice
A free online course by Leiden University


Coursera is a new partnership of some of the world’s leading universities, offering free online courses on a wide range of subjects to anyone without formal entrance exam requirements. In September 2013 the Centre for Terrorism & Counterterrorism (CTC) of Leiden University will offer a five-week course on terrorism. This free-of-charge course, offered by CTC’s Director Prof. Edwin Bakker, consists of three parts:


Part I: First it explores the phenomenon of terrorism, including the reasons why it has been so hard to define. Part I also focuses on terrorism as an instrument meant to achieve certain political goals.


Part II provides an overview of the state of research in terrorism and counter-terrorism studies. Since ‘9/11’ terrorism studies have grown exponentially, reflecting the rise in perceived threats. Yet what new insights has academia come up with? What theories, beyond popular assumptions and conventional wisdoms, has social and political science produced that can be of help in understanding and controlling terrorism? Here the emphasis is on examining and comparing findings based on empirical evidence with the aim to debunk myths and establish what the state of the art is.


Part III focuses on the implications of academic and think tank research for policy making.

Each of the five 'weekly' sessions includes one hour long video lecture, a number of video-based quizzes as well as work with questionnaires. There will also be a weekly quiz- and discussion round plus an on-line forum.

Lernziele sind:

"- the notion of terrorism as an instrument to achieve certain goals

- the difficulties and importance of definitions of terrorism

- the state of the art of terrorism studies

- theoretical notions and practical examples that help you to better understand and critique approaches to counter terrorism.

- theoretical notions and practical examples that will help you to better understand the essence of terrorism".


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Mehr Informationen und die Möglichkeit der Anmeldung gibt es hier:
www.coursera.org/course/terrorism 

Vielleicht "sehen" wir uns "dort"...


zyw

27.08.2013

THE NEWSROOM von Aaron Sorkin - bestes Fernsehen und unheimlich aktuell


Mit der HBO-Serie The Newsroom bietet Aaron Sorkin (The West Wing, CHARLIE WILSON'S WAR) nicht nur packende, niveauvolle und zeitpolitisch-interessierte Serienfiktion der Extraklasse, sondern auch eine, die gerade angesichts der syrischen Giftgas-Krise unfreiwillig hochaktuell erscheint.  


I. Idealistisches Quality-TV

Breaking Bad ist in den USA in die letzte Halbrunde gestartet, die Terrorismus-Drama-Serie Homeland startet Ende September mit der dritten Staffel. Ein weiterer Vertreter des US-amerikanischen „Quality TV“ läuft, nicht nur hierzulande, etwas unter dem Radar: The Newsroom. Seit 2011 für HBO produziert und in Deutschland auf Sky Atlantic HD zu sehen, ist erdacht und geschrieben von Aaron Sorkin – einem der wohl besten Drehbuchautoren, die (das ernsthaftere) Hollywood derzeit zu bieten hat.

Sorkin verfasste u.a. die Skripte zu David Finchers THE SOCIAL NETWORK (2010) und CHARLIE WILSON’S WAR (2007, R: Mike Nichols), arbeitete aber auch bereits fürs Fernsehen, vor allem für die hochklassige Serie The West Wing (1999-2006), die hinter die Kulissen des Weißen Hauses unter der Regentschaft des fiktiven US-Präsidenten „Jed“ Bartlet (gespielt von Martin Sheen) schauen lässt.

Auch The Newsroom brilliert nicht nur durch seine hochkarätigen Darstellern: Jeff Daniels als Anchorman Will McAvoy, Emily Mortimer als Executive Producerin McKenzie McHale, Sam Waterston, bekannt aus Law & Order, als Nachrichtenchef des Senders, SLUMDOG MILLIONAIRE-Dev Partel als Internetrechercheur u. Webbetreuer „Neal“ Sampat sowie in einzelnen Auftritten – ein besonderer Besetzungscoup – Jane Fonda als sarkastische Senderbesitzerin. Es sind vor allem einmal mehr Sorkins komplexe Stories, feinste Dialoge und die Detaileinblicke in die fachtechnisch realistische Arbeit sowie Grundstimmung einer modernen Nachrichtenredaktion, hier die des fiktiven Senders New Yorker Kabelsenders ACN Networks (Atlantic Cable News), die The Newsroom zu einer intelligenten, komplexen und mitreißenden TV-Serie auf höchstem Niveau machen.



Sorkin selbst ist dafür bekannt, dass er, unterstützt durch ein Team von Rechercheuren, sich tief in die jeweilige Berufs- und Themenwelten einarbeitet, um hernach die Abläufe, Zuständigkeiten und Reglements, aber auch die praktischen Probleme, administrativen Konflikte, taktischen Abwägungen und „politischen“ Querelen verständlich zu machen, ohne sie zu simplifizieren. Pro Folge gibt es in The Newsroom (teilweise erstaunlich viele) parallele Handlungsfäden, in denen von Fachtermini und ‑abkürzungen, aber auch von einer flinken, tagesaktuell hochgebildeten, hochengagierten Journalisten-Mentalität geprägte Dialoge bestimmend sind. Dialoge, die freilich so schnell und schlagfertig gewitzt sind, dass sie der klassischen Screwball-Comedy Hollywoods in Nichts nachstehen, diese gar noch in puncto Tempo, Bissigkeit und Anspielungsfreunde noch übertreffen, was The Newsroom, schaut man es sich im Original an, zur genüsslichen Herausforderung macht. 

Es herrscht in der ACN-Newsredaktion, aber auch zwischen den Figuren eine permanente ironische, selbstreflexive Grundhaltung – Folge des fordernden Overachiever- und Dauereinsatzlebens der professionals, die stets Gefahr laufen, sich zwecks seelischer Selbsterhaltung in Zynismus zu flüchten. Den Dauersarkasmus und die verbale wie geistige Cleverness könnte ermüden, würde Sorkin sie nicht mit zweierlei kontrastieren:

Zum einen greift er zu einem weiteren eminenten Element der Screwball-Comedy: das der romantischen Verstrickung. In der ersten Staffel ist es das waidwunde Herz des Chefs MacAvoy, der seiner neuen / alten EP nicht verzeihen will, dass sie ihn einst für einen anderen verließ. Wobei der brummige Moderator sich ihr (und sich) nicht eingestehen will, dass er immer noch viel für sie empfindet.

Dazu, und zentraler ausgespielt, genießt die Serie das Umeinanderstreifen der Associate Producerin Maggie (Alison Pil) und McKenzies Producer Jim Harper (John Gallagher, Jr.). Dass beide für einander bestimmt sind, ist schnell und überdeutlich klar, aber weil Maggie mit dem EP Don Keefer (Thomas Sadoski) liiert ist und sie und Jim, bei aller professioneller Sprachgewalt in Gefühlsdingen, so schüchtern sind wie Teenager in Herzschmerzfilmen, lässt Sorkin sie bis zum Ende der zweiten Staffel (und darüber hinaus nicht) nicht zusammenkommen.

Die zweite notwendige „Vermenschlichung“ im knallharten, dauer- und globalmedialen Workplace-Setting der Serie ist noch typischer für Sorkin: Der (nicht unnostalgische) Idealismus seiner Figuren, mithin der der Serie – und Sorkins selbst. Dem bescheinigte Alex Pareene vom Internet-Magazin „Salon“, als „America’s most prominent liberal screenwriter“ einen „increasingly unpleasant superiority complex“ zu haben sowie unter Realitätsverlust zu leiden. (Pareenes Kritik selbst führt eigentlich, wenn auch negativ gewendet, die meisten Gründe an, weswegen man The Newsroom sehen sollt – und die „Salon“-Page selbst entlarvt sich bzw. ihren Inhalt dahingehend: Während Pareenes Kritik mit „Aaron Sorkin versus reality“ überschrieben ist, firmiert der Beitrags intern, qua Website-Pfad, unter: „http://www.salon.com/2012/07/19/aaron_sorkin_versus frivolity/“).

Für die Vorbereitung haben Sorkin und sein Team echte TV-News-Redaktionen aller politischen Richtungen besucht, mit Größen der Brache gesprochen, dabei stets dieselben zwei Fragen gestellt: Wie sähe eine ideale Nachrichtensendung aus? Und was hält uns davon ab, sie zu produzieren? The Newsroom selbst beginnt mit einem ausgebrannten McAvoy (einem ehemaligen Staatsanwalt), der sich in seiner Indifferenz als Anchorman prima eingerichtet hat und bei einer Collegeveranstaltung zwischen phrasendreschenden Politikern auf dem Podium sich Fragen der Studierenden stellen muss. Was Amerika zur großartigsten Nation der Welt macht? möchte eine eifrige blonde Studentin wissen. Der Medienmann flüchtet sich in unbestimmte Scherze, doch der Moderator lässt nicht locker. Und so liefert McAvoy, und mit ihm Sorkin, eine beißende wie verbitterte Tirade auf den aktuellen Zustand der USA, die nicht nur die Fragerin fassungslos macht, sondern McAvoy an den Rand seines Karriereruins führt und hernach als neugeborenen Idealisten mit einer engagierten, kritischen Sendung wiederauferstehen lässt. Schon in dem Momenten macht die moralische Serie The Newsroom klar: Zynismus und Gleichgültigkeit sind nur die andere Seite der Enttäuschung und Verzweiflung, mithin des Glaubens an das Gute. Das mag banal erscheinen und naiv, andererseits tut ein bisschen leitbildhafte Wunschphantasie gerade in den teilweise allzu bemüht schmuddeligen, weltgemeinen Qualitätsserien, die aktuell so viele begeistern, schon wieder gut, zumal Ambivalenz und Gebrochenheit (siehe das famose Breaking Bad mit seiner Hauptfigur) ja nur eine Form der Tiefe, Vielschichtigkeit und anspruchsvoller Figurenausgestaltung ist.   

Es ist eine stückweit utopisches Fernsehen, das Sorkin in The Newsroom beschreibt, aber weil er dabei realistisch bleibt, es auch mal scheitern lässt und mit allen Hemmnissen und Rückschlägen konfrontiert, schaut man ihm gerne dabei zu. Zumal wenn Sorkin ausgiebig seinem Interesse an zeitgeschichtlichen und politischen Themen frönt. Die Tea Party bekommt ihr Fett weg, die BP-Öl-Katastrophe nach dem Hurricane Katharina aufgegriffen, der Krieg in Afghanistan. Jede Folge der ersten Staffel verortet sich in der Wirklichkeit, indem – mit Datumseinblendung – ein konkretes Nachrichten-Ereignis und der Umgang der ACN-Newsredaktion zum Redaktionsthema wird, ob US-spezifisch oder von internationalen oder gar globaler Relevanz (wie die Tötung Osama bin Ladens). Anderes wird eher in die fiktionale Welt von ACN Networks ein- und umgearbeitet, etwa der News-International-Skandal 2011 um das Abhören von Telefongesprächen durch Mitarbeiter von News of the World. Mitunter wird The Newsroom aber auch unfreiwillig aktuell und brisant, wie jetzt im Moment.




II. "Operation Genoa"
(Vorsicht, leichte Spoiler!)

Die zweite Staffel ist im Juli in den USA gestartet, mit ihr hat sich das Erzählkonzept leicht verändert – und ist, so muss man sagen, noch um einiges besser geworden. Das mag daran liegen, dass The Newsroom zwar ein Vorzeigeprojekt ist und solide lief, jedoch kein Quotenhit war, der durch Mundpropaganda sonderlich hinzugewann (wie etwa dereinst The Sopranos). Auch Kritikerlob gab es in Amerika – wohl nicht zuletzt aufgrund der politischen Tendenz der Serie bzw. der jeweiligen Reviewer und ihrer Medien – nur bedingt. Es war also nicht sicher, dass es eine zweite „Season“ geben würde, und als diese grünes Licht bekam, dürfte sich Sorkin noch mal voll ins Zeug gelegt haben. Um zu zeigen, was The Newsroom kann, um das Projekt am Leben zu halten, oder weil er angesichts der Absetzung nichts zu verlieren hat.

Die Liebeleien sind in den Hintergrund getreten; auch das Tagesaktuelle hat insofern an dramaturgischer Relevanz verloren, als nun ein großer, staffelübergreifender Handlungsbogen das Erzählen inhaltlich und vom Aufbau bestimmt. Bis zur aktuellen siebten Folge (von neun) gibt es eine Rückblendenstruktur: die vom Sender beauftragte Juristin Halliday (Marcia Gay Harden) mit ihren Beratern befragt einzelne Redaktionsmitglieder; aufgearbeitet wird das Fiasko um die „Operation Genoa“-Berichterstattung, die den Sender oder zumindest seine News Division in eine tiefe Krise gestürzt. Um was sich dabei handelte enthüllt die Serie nur Stück für Stück.

Sicher gibt es auch in Staffel 2 noch einzelne oder sich durch einige Folgen ziehende Storys (Jim als Begleiter der Mitt-Romney-Wahlkampagne; Neals und die Occupy-Wall-Street-Bewegung), und noch immer macht es großes Vergnügen, zuzusehen, wie aus einzelnen Ereignissen große (Nachrichten-)Weltgeschehen werden (manchmal unter der Nase des News-Crew vorbei). Doch „Genoa“ schnürt die Episoden zusammen, verleiht The Newsroom ein weit größere dramatische Spannung, führt die Serie in Richtung Politthriller, wenn auch mit etwas umgekehrten Vorzeichen – handelt es sich dabei doch letztlich um einen extremen Skandal, der sich als veritable Ente entpuppt: Bei einer amerikanischen Rettungsaktion 2009 von zwei US-Soldaten in Afghanistan, die von den Taliban gefangen wurden und kurz davor standen, an al-Qaida verkauft zu werden, soll angeblich Sarin-Gas eingesetzt worden sein. Ein Kriegsverbrechen sondergleichen, mit weitreichenden innen- wie weltpolitischen Folgen (nicht zuletzt handelt es sich um ein verbotenes chemisches Kampfmittel).

So schwerwiegend ist die Geschichte, dass elf Monate recherchiert wird und drei „Red Teams“ zur kritischen internen Redaktionsprüfung die Story auseinandernehmen, ehe man auf Sendung geht. Doch u.a. hat der neue, für Jim einspringende, überengagierte Producer, der den Fall aufgetan hat, die Videoaussage eines Generals a.D. manipuliert.

So findet die Staffel in Folge 7, ausgestrahlt am 25. August, ihren Höhepunkt, wenn in der Fiktion (rückblendend) die falschen Erkenntnisse zur „Operation Genoa“ präsentiert werden und ACN der Scoop um die Ohren fliegt – just in dem Moment also, in dem außerhalb des Fernseher die Giftgas-Angriffe des Assad-Regimes in Syrien publik geworden sind und die USA sowie Großbritannien sich in Folge auf einen Militärschlag vorbereiten.

Dass sich innerhalb der fiktionalen Welt von The Newsroom keine weltweiten Proteste und Aufstände in islamischen Regionen aus der Enthüllungsstory ergeben, kaschiert Sorkin übrigens zwar geschickt, aber nicht sonderlich überzeugend mit einem erneuten Rückgriff auch die Wirklichkeit: Der Bericht fällt quasi mit der Aufregung um das obskure Schmäh-Video„The Innocence of Muslims“, dem Sturm auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi und dem Tod des Botschafters Stevens zusammen bzw. wird davon überdeckt.

In Sachen „Krieg gegen den Terrorismus“ und Patriotismus gibt sich The Newsroom übrigens ausgewogen – die Figuren zeigen sich zwar kritisch Themen wie den „Verhörmethoden“ gegenüber, positionieren sich als Ensemble aber sowohl pro als auch contra hinsichtlich der Notwendigkeit von Militäreinsätzen oder der Ehrwürdigkeit US-amerikanischer Soldaten. Ein ethisches Thema übrigens, mit dem sich Sorkin als Autor von A FEW GOOD MEN / EINE FRAGE DER EHRE (1992, Regie: Rob Reiner) mit Tom Cruise und Jack Nicholson schon intensiv befasst hat.

Sorkin konnte nun die Entwicklung im syrischen Bürgerkrieg und die daraus resultierende internationale Krise nicht voraussehen. Dass er aber gerade „jetzt“ in seiner Serie von dem Giftgaseinsatz durch ein US-Kommando mit zivilen Toten (dieselben Symptome werden in der Serie wie in den Berichten der Ärzte ohne Grenzen zu den Opfern in der syrischen Ghuta-Region beschrieben) „erzählt“, dass sich dieser als falsch entpuppt und die idealistisch-aufklärerische Nachrichten-Sendung News Night with Will McAvoy desavouiert, das hat eine bei allem Zufall kritisch-mahnende Konnotation, die Sorkin selbst vielleicht gerade etwas unheimlich sein dürfte.

Freilich: Sorkin und sein Newsroom-Team haben sich „Operation Genoa“ wie die anderen Nachrichtenthemen bzw. -anlässe nicht gänzlich ausgedacht. Ashley Fetters vergleicht in The Atlantic einzelne Anspielungen mit den Nachrichten (in) der Realität (als Kolumne "The News vs. The Newsroom"), verweist dabei auch auf die Enthüllungen zur (fiktionalen) „Enthüllung“: So spiele „OperationGenoa“ auf den CNN-Bericht „The Valley of Death“ aus dem Jahr 1998 an, in dem der Sender US-Soldaten beschuldigte, während des Vietnamkriegs Sarin während einer Rettungsoperation in Laos eingesetzt zu haben. Auch in dem Fall wurde die Meldung trotz scheinbar glaubhafter Quellen hernach zurückgenommen.

Wem also The Newsroom zu idealistisch bzw. lehrmeisterlich oder in Sachen Aktualität und (Schein-)Prophetismus nicht gefällt, kann sie immer noch als journalismusgeschichtliche Reflexion im Unterhaltungsformat genießen.

Bernd Zywietz

05.07.2013

"Act of Terror" - filmische Aufklärung und Revanche im Namen des Anti-Anti-Terrorismusrechts


Act of Terror – Ein Film über das Filmen von Polizisten. Und was dann passiert.

Gemma Atkinson hat in der Londoner U-Bahn gefilmt, als ihr Freund angehalten und durchsucht wurde. Das reicht schon, um gegen das britische Terrorismus-Gesetz zu verstoßen. Dachte jedenfalls die beteiligte Polizei.

Tatsächlich steht im Gesetz, dass es in Großbritannien verboten ist, PolizistInnen zu fotografieren oder zu filmen – wenn die Aufnahmen terroristisch nutzbar sind. Ich vermute, dass das eine ziemlich dehnbare Definition ist.

Sie hat sich vor Gericht dagegen gewehrt, dass sie in Gewahrsam genommen und mit Handschellen gefesselt wurde. Und hat gewonnen. Das Geld aus dem Verfahren hat sie in diesen kurzen Film gesteckt: http://www.actofterrordocumentary.com/


Nebenbei wird auch sehr anschaulich gezeigt, warum nur wenige Leute die Nerven haben, juristisch gegen die Polizei vorzugehen. Das ist hier nicht anders.


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Dieser Beitrag von Anne Roth erschien auf netzpolitik.org, zu finden HIER. (Dieser Beitrag steht unter der Lizenz CC BY-NC-SA: Anne Roth, Netzpolitik.org.)


Anmerkung:
Bei Gemma Atkinson handelt es sich nicht um das Bkini- und Glamourmodel gleichen Namens, sondern um eine Dokumentarfilmerin und Aktivistin, die 24 war, als sich der Vorfall in der U-Bahn-Station ereignete - im Jahr 2009. 2010 kam es zum Vergleich. Denn BBC-Bericht zu dem Vorfall finden Sie HIER auf YouTube. (zyw)