03.09.2014

Zum "Sotloff-Video" / "A Second Message to America"

Wie beim Video "A Message to America", das die Hinrichtung des Journalisten Foley zeigt, ist nun bei dessen schrecklicher Fortsetzung, "A Second Message to America", sprich dem terroristischen Erpressungs- und Vergeltungsvideo, in dem Steven Joel Sotloff das Opfer ist, die problematische Frage der Verbreitung keine der Verfügbarkeit, sondern der Auffindbarkeit.
Auch diese "zweite Botschaft" wurde schnell aus zentralen, populären Quellen wie YouTube entfernt - gleichwohl kursiert das Video noch im Netz und ist auch auf Videoplattformen zu finden - wenn auch vor allem bei solchen nicht-westlicher Domäne.
Man kann es sich also anschauen, wenn man mag - und tatsächlich ist der Vergleich aufschlussreich. "A Second Message to America" wirkt gegenüber dem ersten Video erstaunlich schnell und "minderwertiger" produziert. So zynisch es klingt: Es erinnert an ein weitaus günstigeres Sequel, wie man es aus Hollywood zuhauf kennt, das mit weniger Aufwand und Können an den Erfolg des ersten Teils anknüpfen will und sich dabei weit weniger auch handwerklich gekonnt, an dessen Muster orientiert.
Zunächst ist festzustellen, dass die "zweite Botschaft" mit 2'24 gerade mal knapp halb so lange ist wie das Foley-Video (ca. 4'40). Auch hier haben wir zunächst einen Mitschnitt von Präsident Obamas Rede, doch diese gerät deutlich kürzer. Auch hier haben wir erst im Anschluss den Titel - aber die Buchstaben sind deutlich einfacher gehalten, deren Animation weniger rudimentär.
Generell wirkt das Video wie eilig hingeworfen entstanden oder zumindest fertiggestellt. Wie Foley kniet Sotloff im Wüstensand, doch sparen sich die Terroristen diesmal die Totale, sind direkt bei dem Journalisten, dem ebenso wie dem Henker, der nach dem Foley-Video hier seinen zweiten Auftritt hat (man kann ihn an der Stimme identifizieren), weniger Zeit eingeräumt wird. Sotloff trägt ebenfalls das Guantanamo-orangefarbene Hemd sowie ein Ansteckmikro (dessen Kabel nun unter dem Stoff verborgen ist). Doch die Tonqualität ist deutlich schlechter, der Wind rauscht.
Wieder zwei Kameras im Einsatz, in ähnlichen Positionen. Doch: Schlechtere Bildqualität, die vergleichsweise "fahrigen" Umschnitte: "A Second Message to America" bedient sich derselben Bildmotive, der gleichen Argumentationsmuster, einer identischen Dramaturgie. Ein gräßlicher Serieneffekt entsteht: Was im ersten Video angedroht wird, ist hier realisiert - die Tötung Sotloffs, den wir quasi schon aus "A Message to America" kannten; er ist sozusagen eingeführt - als Zuschauer hat man zu ihm als unseligen Mordopfer auf diese Weise allein über die Reihung ein anderes Verhältnis als zu anderen narrativ-"geschichtslosen" Gesichtern.
Aber dieses zweite Video wirkt bei aller kalkulierter Grausamkeit und taktischer Unmenschlichkeit verglichen mit dem ersten, mit dessen Ästhetik, dem präzisen Bildaufbau, dem akkuraten Montagehandwerk etc., merkwürdig "unsouverän", gehetzt - ein Abklatsch oder Imitat. Was verrät uns das? War IS-Medienarm al-Furqan unter (Zeit-)Druck, diktierten hier andere Notwendigkeiten oder Prioritäten - etwa militärischer oder kommunikationspolitischer Natur - den Verzicht auf (oder wenigstens Nachrangigkeit der) offiziöse Hochglanzästhetik, jene "Bildqualität", um die sich die Jihadisten bislang bei Statements von dieser Dimension und avisierten Reichweite bemühten?
zyw