Robert Cettle (2009): Terrorism in American Cinema. An Analytical Filmography, 1960-2008. Jefferson, NC / London: McFarland & Company. ISBN: 978-0-7864-4155-6
320 Seiten, Paperback.
Robert Cettle, freier australischer Autor, hat uns bereits ein Serienkillerfilmlexikon geschrieben – und vom geheimen Serial Killer zum Terroristen ist es in Sachen Schreckfigur gar nicht so weit: Das Ungeheuer, dass sich hinter der Fassade des braven Bürger und Nachbarn versteckt (der freilich „arabischer“ Herkunft zu sein scheint)…
Doch Cettle hat in Sachen Serienmörder wie jetzt in punkto Terrorismus ein nützliches und beachtliches Buch vorgelegt, wobei allerdings sein neues Werk einige Mängel aufweist, auf die es hinzuweisen gilt.
Auch in Terrorism in American Cinema führt in Sachen „Terrorismusfilm“ zunächst mit einem Text ein, der die Ursprünge und kinematographischen Entwicklungslinien nachzeichnet, die dem Terrorismuskino vorangehen oder es begleiten; Kontexte wie die James-Bond-Filme mit ihren Welterpressungen; Spionage- und Sabotagefilme, aber auch die jeweiligen politischen und historischen Konfliktlagen, die es stets mitzuberücksichtigen gilt, wenn es um Terrorismus geht. Bei angesichts der Kürze (rund 13, freilich eng bedruckte Seiten) aufschlussreich und bietet eine solide Verortung. Zugleich aber ergibt sich hieraus ein Manko, da Cettle sich – und so recht kann man ihm da nicht böse sein – sich um eine Terrorismusdefinition herumdrückt und, was schwerer wiegt, Sabotage und Erpressung allzu fahrlässig mit Terrorismus verschwimmen lässt.
Cetlle gerät auch wegen des breiten Terrorismus- (oder meinetwegen Terrorismus-Kino-) Verständnisses wie auch dem Genre-Sammelsurium recht bunt und ein kleinwenig, durchaus sympathisch wirr. Insbesondere, weil sich dieser Filmographie des Terrorismus im US-amerikanischen Kino auch Pontecorvos italienisch-algerischer LA BATTAGLIA DI ALGERI (1966) und QUEIMADA bzw. BURN (1969) – nicht aber OPERACIÓN OGRO (1979) – oder Neil Jordans THE CRYING GAME (1992) und MICHAEL COLLINS (1996).
Otto Premingers EXODUS (1960) und Attenboroughs GANDHI (1982) findet sich da zusammen mit Billig-Actionfilmen wie IRA: KING OF NOTHING (2006) oder dem TV-Film mit Chuck Norris THE PRESIDENT’S MAN (2000). Die DIE-HARD-Filme (1988 – 2007) stehen gleichauf mit Brian de Palmas HI, MOM! (1970), der Mediensatire NETWORK (in denen auch linke US-Terroristen auftauchen) und THE MANHATTEN PROJEKT (1986) (ein Schüler baut eine Atombombe und gerät darüber mit der Regierung aneinander).
Aus diesem Wirrwarr aus Großproduktionen und Direct-to-Video-Mumpitz, Polit- und Paranoiathrillern (z.B. Alan J. Pakulas THE PARALLAX VIEW (1974)), Actionspektakeln, Historiendramen, Comic-Adaptionen (SUPERMANN II - 1980), gar Dokumentation wie MacDonalds ONE DAY IN SEPTEMBER (1999) zur Münchner Olympiade-Geiselnahme und schließlich Antonionis ZABRISKIE POINT (1970) ein Genre kreiert zu sehen, ist nachgerade verblüffend und erfrischend. Einen diffuser Bedeutungs- und Stimmungsrahmen (re-)konstruiert Cettl dabei. Dass davon vieles wenig oder nur entfernt mit Terrorismus zu tun hat, ist offensichtlich.
Zugleich bzw. gerade dadurch bietet Terrorism in American Cinema eine spannende Querfeldeinreise: Gerade weil Cettl offensichtlich irgendwie alles, was er zufällig kannte, aufgreift, entdeckt man einem selbst noch Unbekanntes, werden seltene Querverbindungen gezogen (so wenn neben Pontecorvos LE BATTAGLIA DE ALGIERI auch Mark Robsons „ergänzende“ wie konträre Hollywood-Thematisierung des algerischen Unabhängigkeitskampfes, LOST COMMAND von 1966, behandelt ist) und generell die Leser vielleicht auch hinsichtlich des Konzeptes Terrorismus und seiner Ungenauigkeit gedanklich angeregt.
Hinzukommt, dass Cettle in den langen Beiträgen zu den Filmen diese stets einzuordnen sowie was spannend und bemerkenswert ist zu beschreiben und auf bodenständige Art zu analysieren weiß. Ebenso, wie er ebenso Mist auch als Mist benennt – und sich (und seinem Buch) trotzdem nicht zu schade ist, ihn aufzugreifen, weil er schlicht dazugehört (wozu letztlich auch immer) und als kulturelles Artefakt und sozialnarrativer Gegenstand wert ist, berücksichtigt zu werden.
Letztlich ist Cettles Terrorismus in American Cinema einerseits ein schon unverfrorenes Buch, andererseits trotzdem wie auch gerade deswegen empfehlenswert – oder zumindest einen Blick wert.
Empfehlenswerter weil profunder, analytischer und kontextualisierender ist jedoch Stephen Princes ebenfalls brandaktuelles Buch Firestorm: American Film in the Age of Terrorism, das sich freilich nur auf die US-Filme "rund um" den 11. September konzentriert und diese nicht für jeweils sich behandelt.
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Bernd Zywietz