Eine Thriller-Idee, zwei Filme: CAVITE und AAMIR
I. CAVITE
CAVITE (2005) ist billig gedreht. Ian Gamazon und Neill Dela Llana, die zusammen auch das Drehbuch schrieben und den Film für ein Mini-Budget von 7000 US-$ produzierten, haben auf Video gedreht und aus der Hand; der Hauptdarsteller wird von einem der beiden Regisseure gespielt. Doch gerade das macht nicht nur den Charme des Films aus, sondern ist unabdingbar für die Spannung und die Intensität, die einen mit der verhältnismäßig einfachen, aber effektiven Idee in die Handlung und ihre Welt hineinzieht. Mehr noch ist die lebendige Ästhetik geradezu konstitutiv für das Gefühl der Reise, das Abtauchen in eine fremde, wenn hier auch etwas über-gefährliche, ein konstruierte Welt und einen wirklichen Konflikt, den man in der Distanz, aus der Position des unbeteiligten Westlers und Zuschauers heraus, zwar nicht ergründet, so doch aber quasi am eigenen Leib am Rande miterlebt (auch wenn CAVITE nur sehr bedingt ein viszeraler Film ist, also einer der auf den Magen schlagen will, auf diverse Körpersäfte und Organe zielt).
Etwas steif, mit wenig Charisma spielt Ian Gamazon Adam, einen aus den Philippinen stammenden US-Amerikaner, und gerade durch das fast schon Anti-Präsente Gamazons gerät die Hauptfigur umso glaubwürdiger, alltäglicher. Adam ist ein kleines Licht in Amerika, ein Einwanderer, der sich als Wachmann verdingt, der auf einen Parkplatz kontrolliert, dort raucht; wenig Energie legt er an den Tag. Um seine Mutter und Schwester in der alten Heimat zu besuchen, betritt er den Flughafen, telefoniert mit seiner Freundin. Die macht mit ihm Schluss, und wir merken schon, wie trostlos sich diese Beziehung in der letzten Zeit angefühlt haben muss. Adams Freundin war schwanger. Und hat abgetrieben.
Entsprechend beschäftigt und schon vorab zermürbt ist der junge Mann, als er in Manila landet, wo das gelb-schmutzige Licht die Hitze, die Schwüle und den Abgasdreck der Kleinbusse und Mopeds einfängt und repräsentiert, das gemeinsam mit dem Lärm, den Trubel eine ganz andere schwirrende Welt eröffnet. Adam stammt von hier, wirkt auch nicht ausgeliefert mit seiner gedrungenen Gestalt, mit seinen geraden Augenbrauen, den energisch-schmalen Augen und dem entschlossenen Mund im quadratischen Gesicht. Doch die eckige Brille, der Mittelscheitel, Umhänge- sowie Touristenrolltasche, die er für einen guten Teil des Films mit sich herumschleppen wird, verleihen ihm etwas Verletztliches. Diese „westliche“, (über-)„zivilisierte“ Seite verbindet uns mit Adam, uns, die wir derlei exotische Fremde höchstens als Touristen, auf Zeit und – wie erlebnishungrig und kontaktfreudig auch immer – mit (innerlicher; sicherer) Distanz besuchen und bereisen. Auch Adam ist nur mehr bestenfalls Besucher, und das mit einem leichten, ungeduldigen Widerwillen. So weist das Handgeführte der Kamera, die Momentbilder und ihr notierenden, einfangenden Blicke in CAVITE immer auch den Charakter eines Urlaubsvideos auf – freilich eines, das einen Horror-Trip dokumentiert.
CAVITE ist zunächst ein Thriller und Adam der theoretisch-perfekte Thriller-Held im Hitchcock’schem Sinne, zugleich einzigartig ein moderner: Er, ein Alltagsmensch, wird aus seinem Leben herausgerissen und hineingesogen in eine bedrohliche, unheimliche (Gegen-)Ordnung. Doch während beispielsweise in DER MANN, DER ZUVIEL WUSSTE (THE MAN WHO KNEW TO MUCH) 1956 James Stewart nebst Doris Day im exotisch-bunten Technicolor-Marokko vermittels eines sterbenden, zum „Araber“ angemalten Westlers unfreiwillig in der kulturlosen Parallelsphäre der Agenten und Attentäter landen und sich dort bewähren müssen, ist Adam in CAVITE Kind einer ortszerreißenden Globalisierung, für die bereits die Rückkehr eine eigene Unheimlichkeit im Sinne Freuds bedeutet – die Furcht, die auf die Wiederkehr des Verdrängten verweist, auf die Realität des Überwunden-Geglaubten.
Diese Unheimlichkeit steigert CAVITE mit einer „Genre-Wirklichkeit“: Am Flughafen wartet Adam vergebens auf seine Familie, per Telefon kann er sie nicht erreichen. So sitzt er da, raucht, trinkt den letzten Schluck Wasser, raucht wieder. Hurtig ist der Schnitt, nervös die Kamera, die hin und her ruckelt, springt, nah heran, wieder weg, die einzelne Personen einfängt – Wahrnehmungssplitter, denen sich der genervte Adam nicht erwehren kann. Bis ein Handy klingelt. Erst achtete Adam nicht darauf, bis er irritiert bemerkt, dass das Klingeln aus seinem Gepäck stammt. Einen großen gelben Briefumschlag findet er und darin das Telefon. Die Stimme in Tagalog am anderen Ende der Leitung verweist auf die Fotos – Aufnahmen von Adams gefesselter Mutter und Schwester (wir selbst bekommen die Bilder nicht zu Gesicht, nur gefilmte Assoziationsblitze, die eher Adams Wahrnehmung spiegeln).
Nun beginnt der Thriller CAVITE, der auf einer so grausig wie verblüffend einfachen, einer alptraumhaften und sadistischen Grundidee basiert. Von der namen- und stets auch gesichtslos bleibenden Gestalt wird Adam durch Manila und hinunter nach Cavite dirigiert, jener Region auf der Nordinsel Luzon, und nach Cavite City mit seinen knapp 100.000 Einwohnern. Beleidigungen und seelische Quälereien muss er dabei über sich ergehen lassen, auch Vorwürfe. Warum er nicht Tagalog spräche, ob er sich für seine Herkunft schäme? Ob er schwul sei (was Gott verachte)? Dass er ein schlechter Muslim sei. Es ist eine Art grausames Spiel, das Adam absolvieren muss, mit verschiedenen Stationen, die natürlich auch einem spannenden Handlungsablauf des Films dienen, zugleich uns – so wie Adam – mit der sozialen Realität der Philippinen bekannt macht (oder sie zumindest als eindringliche Folie nutzt): mit den Slums, dem Müll, der Armut der Menschen. Als missratener Muslim und heimatverratener Philippine werden Adam neben der Erfüllung des bis zuletzt im Dunkeln bleibenden Masterplan Lektionen in Sachen Heimatkunde verpasst: Ein widerliche Spezialität muss er auf einem Markt vertilgen, eine Cola bestellen, die ihm in einem durchsichtigen Plastikbeutel mit Strohhalm serviert wird: die Glasflasche selbst zu kostbar hier, in diesen bitteren Zuständen, in denen Kindern kaum mehr Alternativen als die der Kriminalität oder der Prostitution bleibt.
Immerzu muss sich Adam beobachtet fühlen, jeder seiner Schritte wird überwacht, jeder in seiner Umgebung ist verdächtig. Dabei ist der Kidnapper und Erpresser mit seinen Helfershelfern in der Wirklichkeit fest verankert: Er gehört zu Abu Sajaf, den „Schwertkämpfern“, die sich auch „Die Islamische Bewegung“ (al-Harakat al-Islamija) nennen, jene muslimische Extremistengruppe, die für einen südphilippinischen Gottesstaat fechten, für eine Stärkung der Muslimrechte und eine Autonomie u.a. von Mindanao. CAVITE präsentiert den üblichen Schlagabtausch, den man in praktisch jedem Terrorismusfilm findet: die Debatte um die Rechtmäßigkeit der Mittel; der Terrorist, der sein Tun als Notwehr und Nothilfe legitimiert. Bombenanschläge werden gegen Massenmord und ethnische Säuberungen von Staatsseite her aufgerechnet.
Zugleich aber untergräbt CAVITE diesen Exkurs um Sinn und Hintergründe durch Grausamkeiten, die Adams Gegenspieler, die ohnehin schon die volle Macht über ihn haben, zu skrupellosen, zu obszönen Monstren machen, somit als ernsthafte „Gesprächsteilnehmer“ mit berechtigten Anliegen entwerten: Um ihn quasi zu disziplinieren, wird ihm der abgeschnittene Finger seiner Schwester in einer Zigarettenschachtel präsentiert; als Strafe für Insubordination zuerst Schreie am Telefon und schließlich: die herausgeschnittene Zunge (angeblich seiner Mutter) am Wegesrand.
In solchen Momenten siegen Schock, Ekel, das Spektakel des Genres über das Reduzierte der Idee, den Existenzialismus der Situation und die Ernsthaftigkeit der Begegnung mit einer fremden, fernen Kultur, die ja auch für die Filmemacher schließlich (Alte) Heimat ist und zugleich von ihnen – man kann sich diesem Gefühl nicht ganz erwehren – in den Schmutz gezogen und für Thrill und Horror etwas billig verkauft werden. Ein Mord in einer Seitengasse; blutige Hahnenkämpfe: Haben wir es hier mit den folgen sozialem, ökonomischem und politischen Schindluders zu tun oder mit „natürlichen“ Missständen?
Doch natürlich will CAVITE keine Analyse betreiben oder politisches Statement sein; und über seine Status als No-Budget-Film, für den beim guerilla-shooting auf Freunde und Familie zurückgegriffen wurde, ist gerade dieser Einbezug des Genres auch als eine ideologische Formation insofern eindrucksvoll, als sie doch unterlaufen wird. CAVITE überrascht auf bemerkenswerte Weise, sei es dank der Beschränktheit der technischen und organisatorischen Mittel, sei es in einem erzählerischen Finale, das sich nur eine DIY-Produktion erlauben kann.
Einer Direct-Cinema-Beobachtung gleich folgt die agile, von Neill Dela Llana gelungen und eindringlich geführte Kamera Adam eng durch die Gassen, Straßen, durch Häuser, in denen er neue Weisungen erhält oder eine weitere Aufgabe zu erledigen hat, ohne das große Ganze zu durchblicken. Einmal aber „verlieren“ wir: In einer Bank soll er Geld abholen, doch während er sie betritt, wir ihm und seinen Entführer, der ihn weiter verhöhnt und befielt, noch ein wenig auf der Tonspur folgen, bleiben wir „körperlich“ draußen und begleiten dort einen kleinen Junge, der Adams Weg gekreuzt hat. Mit ihm streifen wir durch die Stadt, sehen zu, wie er auf dem Bordstein einen McDonald’s-Burger isst, eher wir wieder bei Adam landen, der sein Bankgeschäft erledigt hat.
Es ist aus der Not geboren, diese Idee, da man nicht im Kreditinstitut drehen konnte, doch der Junge wird uns wieder begegnen, wenn er seiner Großmutter die andere Hälfte der Fast-Food-Portion bringt, ein kleiner Seitenblick, der gleichwohl nicht dumpf auf eine ökonomische Ausbeutung, auf Waren-, Marken- und Wertzirkulation schimpft.
Und: Adam ist letztlich kein Zufallsopfer; zur Marionette wird er nicht nur aus (diegetisch) symbolischen, sondern aus persönlichen Gründen: Sein Vater, so erfährt er im Verlauf seiner Odyssee, hat Geld der Islamisten unterschlagen und damit Adam weiland in die USA gebracht. Es ist also im übertragenen Sinne die Schuld der Väter, für die Adam büßen, für die er Abbitte leisten muss. Doch es langt nicht, mit dem gestohlenen Geld von der Bank zu bezahlen. Seine letzte Aufgabe: Eine Bombe, die nun in seiner (kurzzeitig entwendeten) Rolltasche steckt, in einer christlichen Kirche zu deponieren. Adam ist entsetzt, betritt aber die Kirche, setzt sich zu den Gläubigen. Und will nicht gehen, während die Uhr tickt. Das Mastermind, der per Handyheadset bei ihm ist, will aber keinen Märtyrer, befiehlt ihm, zu gehen, gibt ihm schließlich auch letzte Richtungsanweisung: Wo er seine Familie findet. Und Adam – ein einfacher Mensch, ein Mann, der bei aller Thriller-Dramaturgie und wie Millionen andere Männer kein Held ist – lässt schließlich tatsächlich die Tasche unter der Bank, verlässt mit zitternden Lippen das Gotteshaus. Über einen der notdürftigen Holzstege geht er über das verschmutze, unratsatte Brackwasser des Armenviertels auf die beschriebene Hütte zu, bleibt davor stehen.
Schnitt: Adam wieder im winterlichen, weihnachtlichen Amerika, in seiner blauen Security-Uniform unterwegs, gezeichnet, zerstört. Adam, der daheim auf dem Fußboden sitzt; er trifft sich mit seiner (Ex-)Freundin, diesmal von Angesicht zu Angesicht. Sie hätte es nicht ertragen, dass ihr Baby als Muslim aufwächst. Nachts, allein im Bett, beginnt Adam zu beten, um sein Seelenheil.
Ob er Mutter und Schwester gefunden hat, ob sie noch am Leben waren, ob die Bombe hochging, das alles lässt CAVITE aufreizend offen, vielleicht gar, ob es sich nur um einen Albtraum gehandelt hat. Oder ob der Schluss eine Rückblende ist. Vielleicht waren Zunge und Finger gar nicht „echt“, von anderen Toten, und die Bombe keine Erschütterung der Christenheit und des Staates, sondern eine einzig von (und für) Adam, eine Attrappe und eine Lektion, neben dem Geld, das es wiederzuerlangen halt. Eine Lektion, die er am Ende gar – und das lässt einen bei diesem Film frösteln – gelernt hat?
Die beiden Philippino-Amerikaner Ian Gamazon und Neill Dela Llana haben sich schon vor dem 11. September 2001 der Idee und Story zu CAVITE gewidmet, auch wenn der Film erst 2005 Premiere hatte. Inspiration bot die reale Gewalt in Südostasien genug, auch in den USA und jenseits eines natürlichen Interesses für das Herkunftsland: Im Jahr 2000 wurde der US-amerikanischen Muslimkonvertit Jeffrey Schilling gekidnappt und konnte im April 2001 fliehen. Auch hierzulande erregte vor allem die Entführung von über 20 Touristen (darunter die deutsche Familie Wallert) durch Abu-Sajaf-Rebellen aus einem malaysischen Ferienressort im April 2000 Aufmerksamkeit und Entsetzen.
Doch um was ging es ihnen?
Ian Gamazon: „Well, I think the idea we wanted to come across is that this character goes through hell in the Philippines and he comes home, and this is what he has to deal with. This Western naiveté, I guess“ (in: Rowin 2006).
Ein bisschen dürfte es auch die eigene Naivität gewesen sein, eine, die in CAVITE allerdings kreativ und suggestiv eingesetzt wurde.
9/11 war dann freilich doch maßgeblich für CAVITE, so wie generell für das Thema Terrorismus und politische Gewalt. Neill Dela Llana: „[…] 9/11 actually enhanced – not enhanced the Philippine-Muslim conflict, but brought it out into the open even more, so we were like, ‚Okay, now we’ve got something to work with.‘ So 9/11 wasn’t directly involved in the writing process, but it kind of brought out a lot of what we didn’t know before about what was happening in the Philippines“ (ebd.).
II. AAMIR
Die Globalisierung nicht nur des medienvermittelten (vielleicht gar: medieninduzierten) Terrorismus mit seinen Bildern trifft hier auf eine des Kinos und seinen Erzählungen:
CAVITE wurde nicht von Hollywood-Thrillern wie PHONE BOOTH / NICHT AUFLEGEN! von 2002 (ein Mann in einer Telefonzelle in Manhattan wird von einem „unsichtbaren“ Heckenschützen als Bestrafung für moralische Vergehen manipuliert, kontrolliert und gedemütigt, derweil die Polizei ihn für den Amokschützen hält) zwar vielleicht nicht inspiriert, so jedoch quasi überholt: Ausgehend von einer Idee, die mit geringem bis nicht vorhandenem Budget zu realisieren war, verbrachten die beiden Filmemacher Jahre, an dem Drehbuch zu arbeiten.
„Phone Booth came out, Cellular came out — we were like, ‚Oh, man, we gotta watch these movies and make sure we’re not close, I mean we’re close enough, but we want to get the heck away from those movies as far as possible‘“.
So weit wie möglich weg – das gilt nun nicht für einen anderen Film im Kielwasser des kleinen CAVITE. Nicht Hollywood, jedoch eine andere große Filmindustrie interessierte der Film: Bollywood.
2008 kam AAMIR, das Debut von Ray Kumar Gupta, der das Drehbuch schrieb und Regie führte. Der populäre Hindi-Film zeigt generell wenig Hemmungen, sich im Bedarfsfall bei Hollywood kräftig und unbekümmert zu bedienen, wobei freilich den indischen Anforderungen an das Unterhaltungskino in puncto Genre- Vielfalt, Erzählstrenge, Familienwerte, Moralkodex, Patriotismus etc. bei der Adaption genüge getan wird.
Im Falle von CAVITE klagten Llana und Gamazon wegen Urheberrechtsverletzungen. Gupta verwahrte sich jedoch gegen den Plagiatsvorwurf, und auch AAMIR-Kooproduzent Vikas Bahl von UTV-Spoofboy erklärte:
„Basically, Aamir is written and directed by Rajkumar Gupta and he wrote the story even before the English film, Cavite, was released. We had registered it at the Writers' Association. But then after some time we realized that the story of Cavite was very similar to Aamir hence we approached the writers and makers of Cavite and bought the adaptation rights as that's the right thing to do.“ (Bollysite.com; siehe auch Hindustan Time HIER)
Vikas wies auch auf die universelle Idee, die beiden Filmen – irgendwie – zugrunde liegen, hin, ebenso auf die Unterschiede, die vor allen den Höhepunkt bzw. den Schluss betreffen. Wenn freilich die außergerichtliche Zahlung nur des lieben Friedens willen geschah, dann stellt sich die Frage, weshalb vor den Credits von AAMIR „aufrichtigen Dank“ Ian Gamazon und Neill Del Llane ausgesprochen wird…
Wie dem auch sei: AAMIR weist deutliche Ähnlichkeiten mit CAVITE auf, aber gerade als Adaption für das indische Kino auch beredte Unterschiede. Zunächst ist das Hindi-Mainstream-Produkt AAMIR durch einen höheres, gleichwohl immer noch gemäßigtes Etat geprägt: Zwischen 300.000 und 450.000 Dollar werden als Zahlen genannt, wobei die Kosten bzw. der Dollar-Wert, wie er in Indien herrscht, zu berücksichtigen ist. In den USA kostet ein Studiofilm im Durchschnitt 50 Mio. US-$, in Indien 1,5 Mio. US-$.
Entsprechend orientieren sich Inszenierungsstil und Ästhetik an der etablierten Kino-„Sprache“ Indiens inklusive der – für westliches Empfinden bisweilen ulkig bis parodistisch anmutenden – ausgedehnten Zeitlupen (vor allem am Schluss) und anderer pathetischer und emphatischer Griffe, was auch Musik und Songs einschließt (letztere werden nur ein, zweimal eingesetzt und nur als Bilduntermalung, nicht als Song-and-Dance-Szene).
Von der unmittelbaren Authentizität von CAVITE und der Reduktion ist also nicht mehr geblieben: AAMIR ist durchinszeniert, was auch für das Mumbai als Kulisse, Parcours und Ort des Schreckens gilt, der hier allerdings die direkte Heimat des Publikums bedeutet.
Das ist der wohl wichtigste Unterschied: Mit CAVITE besuchen zwei Filmemacher ihr exotisches Heimatland, mit AAMIR betrachtet Indien, speziell Mumbai, sich selbst, genauer: seine schmutzig-gefährliche Unterseite. Das heißt, die Trennlinie läuft hier nicht vertikal zwischen Ländern und Kulturen, sondern horizontal: die Mittel- und Bürgerschicht beschaut die eigenen Slums, die desolaten Wohn- und Hygienebedingungen (in einem öffentlichen, widerlichen Abort muss Aamir eine neuen „Hinweis“ suchen, erbricht sich hinterher), die Kriminellen, Huren, Bettler und Terroristen.
Freilich: Es ist kein realistisches Bild, sondern die des populären Hindi-Kinos – die wohlig-schaurige wie gefahrlos in Versatzstücke und Manierismen verpackte Imagination. Wenn sich der weiche, passive, der „verwestlichte“ Aamir gegen die Diebe des Aktenkoffers voller Geld, den er von Mafiosi abholen musste, durchsetzt, sich ermannt, dann verhaut er sie so ausgiebig und physisch-folgenlos, dass man sich an einen Bud-Spencer-Film erinnert fühlt oder an einen Bauernschwank, und das Derb-Komödiantische mit seiner Physis auf und vor der Leinwand (den Watschn hier, dem Schenkelklopfen dort) hat im kunterbunten Bollywood ohnehin seinen festen Platz.
Zentraler Ausdruck der markanten Umwendung, Adaption und Aneignung der Idee von CAVITE ist in AAMIR entsprechend die Haupt- und Titelfigur: Aamir (gespielt von Rajeev Khandelwal, der zuvor nur im Fernsehen, vor allem in der Krimiserie C.I.D., aufgetreten ist) ist kein expatriierter Nachtwächter, sondern Arzt in/aus Großbritannien, ein NRI, ein Non-Resident Indian, wie er in Bollywood einen eigenen Typus darstellt: ein Erfolgsmensch, der es in der westlichen Fremde immerzu (und egal in welchem Job) geschafft hat, dabei dessen Attribute übernommen (aber die Ehrenwerte der Heimat behalten) hat. Nicht in Khakihosen und rotem Hemd wie Adam, sondern standesgemäß im Anzug kehrt Aamir nach Mumbai zurück – und wird am Flughafen schon bei der Pass- und Kofferkontrolle schikaniert, weil er (so wirft er es dem Beamten vor) lediglich Muslim sei.
Draußen vor dem Airport steckt dann nicht wie in CAVITE wie durch Zauberhand das Handy in seiner Tasche: Ein bedrohlicher Motorradfahrer mit Integralhelm schreitet zu düsteren Klängen in Zeitlupe auf ihn zu reicht, reicht ihm das Mobiltelefon. Der Erpresser am anderen Ende der Leitung bleibt in AAMIR für den Zuschauer nicht unsichtbar, sondern wird von Gajraj Rao als Terrorpate mit kahlem Schädel und dunklen Augen gespielt, der im Zwielicht seiner Wohnung auf einem Stuhl sitzt, isst, mit seinem Kind spielt und mit sonstigen Registern der vordergründig-vordergründigen Harmlosigkeit umso sinisterer wirken soll.
Auf der anderen Seite steht Aamir als aufrechter, aber verzweifelter, ausgelieferter Held dar. Seine Reise in die bedrohlich-paranoid gewendete Normalität der Megalopolis Mumbai fällt action- und fintenreicher aus als es bei CAVITE der Fall ist. Auch stehen dem Protagonisten eine größere Verschwörung, zumindest was die offen involvierten Helfershelfer anbelangt, gegenüber, fordern ihn jeweils ganz eigen heraus: Dem ihm zugeteilten Taxifahrer am Flughafen muss er hinterherrennen, weil er nicht rechtzeitig der Order folgt und einsteigt.
Wie Adam muss der sich der dereinst „ sich davongestohlene“, sein Land und Volk im Stich lassende Aamir (vom arabischen Amir = Emir; Anführer) eine Lektion in muslimischer Pflicht und Verantwortung im Verständnis radikal-islamistischer Gewalttäter und ihrem „Dschihad“ gegen die Hindu-Majorität über sich ergehen lassen.
Diskriminierung, auch Übergriffe oder die fürchterlichen Pogrome, Babri-Moschee, Kaschmir und der feindliche Nachbar Pakistan – es gibt große Probleme und Spannungen in dem Riesenreich Indien, und Bollywood nimmt sich ihnen unermütlich an, versucht zu vermitteln oder zumindest niemandem auf die Füße zu treten. Entsprechend ist der unfreundliche, muslimfeindliche Zoll-Beamte am Anfang von AAMIR nicht durch den Terrorismus, wie er hier von dem maliziösen Mastermind ausgeht, in seiner Haltung bestätigt, sondern als Zugeständnis an die realen Vorurteile und ihre Ausprägungen im Land aufzufassen.
Die Figur Aamir hat aber auch in dieser Hinsicht einen besonderen ideologischen Reiz, insofern er selber Muslim ist. Mit Aamir wird ein erzählerischer Topos genutzt, den man auch seit dem 11. September im US-Kino und -Fernsehen vermehrt vorfindet: Die Gegenüberstellung von gutem und bösen Muslim mit ihren jeweiligen Figurenkonstrukten. Diese Kontrastierung hat den Vorteil, dass man keinen Kampf der Kulturen (was auch heißt: zwischen unterschiedlichen Nationen, Religionen, Volksgruppen etc.) als Verständnisbild zeichnen, damit gar bedienen braucht und zugleich die Gefährdung durch Extremisten auch als Gefahr für deren Eigengruppe kennzeichnet, diese somit an sich bindet, narrativ einsoldiarisiert, zum Partner im Kampf macht und sich selbst in den Hintergrund zurückziehen kann. Des Weiteren wird die weltanschauliche Basis der Überzeugungstäter wie auch ihren Vertretungs- und Avantgarde-Anspruch einfach und behände unterminiert.
Wenn also Aamir, Adam und ihre jeweiligen dämonischen Widersacher um die rechte Auslegung des Korans und das wahre Verständnis von Dschihad (innerer oder äußerer „Krieg“) streiten, delegitimiert das die Gewaltanhänger im Namen Gottes stärker als der wohlfeile Gewalt-ist-böse bzw. -auch-keine-Lösung-Ansatz westlicher Attackierter und ihrer Filmrepräsentanten, die sich angesichts von Historie und Machtpolitik ohnehin nicht mehr glaubhaft (oder sinnvoll) auf eine allgemeine „Unschuld“ berufen können.
In dieser Hinsicht unterscheidet sich das Finale von AAMIR auf den ersten Blick eklatant von dem CAVITES, ist aber nur die – gleichwohl überaus düstere – Konsequenz der grundlegenden Umformung des Filmstoffs. Dabei spielt AAMIR zunächst (wenn auch weit weniger stark wie CAVITE) mit einer bestimmten Deutungsoffenheit des Gezeigten: Wir sehen, wie der böse Mann am Handy mit der Pistole in den Nebenraum stürmt, wo Aamirs Mutter, der Bruder und die zwei jungen Schwestern verängstigt festgehalten werden. Mit dem Mut der Verzweiflung ringen sie mit ihm, aber nach und nach und mit erlesener tragischer Grausamkeit werden Aamirs Angehörige erschossen – zuletzt die Mutter, die entsetzten Augen direkt aufs Publikum gerichtet.
Es bleibt aber mehr als fraglich, ob sich diese Morde in der filmischen Wirklichkeit tatsächlich zutragen oder nur Aamirs Vorstellung entspringen, ein Ausmalen und innerliches Aufgeben sind: Unvermittelt wird von einem nachsinnenden Aamir in die besagte Szene geschnitten und anschließend direkt auf ihn zurück. Auch dass man nicht – wie zuvor vom „neutralen“ Standpunkt des Zuschauers aus – das Gesicht des Mörders zu sehen bekommt (sowenig wie eben Aamir das Antlitz seines Widersachers je kennen wird), sprechen für eine schreckliche Phantasie. Und tatsächlich: Als er mit dem Bus unterwegs durch die Stadt ist, den roten Geldkoffer zu seinen Füßen, da blickt er aus dem Fenster und sieht Mutter und beiden Schwestern ausgelassen beim Einkauf. Oder ist das wiederum eine Einbildung, irrt er sich in den Personen? Waren sie nie in der Gewalt des Terrorpaten? (Wie sonst ließe sich ihre Ausgelassenheit erklären – Schluderei bei Dreh und Skript?)
Im Bus erreicht Aamir der letzte Anruf: Er soll den Bus verlassen, den Koffer stehen lassen. Denn das Geld wurde in einer perfiden (gleichwohl nicht sonderlichen plausiblen) Wendung ohne sein Wissen gegen eine Bombe ausgetauscht; der Bus ist das Anschlagsziel. Dramatisch und psychologisch dehnt sich die Zeit nun; Aamir, schockiert, verlässt tatsächlich das Transportmittel, sein Auftrag ist erfüllt. Doch dann, angesichts der Kinder und all der übrigen unschuldigen Menschen, da http://www.blogger.com/img/blank.gifentscheidet er sich doch anders, stürmt in den Bus, muss sich hinein- und hinauskämpfen; mit dem roten Aktenkoffer vor der Brust rennt er über die Straße, wirft sich in eine Baugrube.
Wo die Bombe mit ihm explodiert.
Abschließende Nachrichteneinspieler präsentieren die offizielle Lesart des Geschehens: des Selbstmordanschlags, bei dem aus unerfindlichen Gründen, nur der Attentäter sein Leben ließ.
Je nach Sichtweise und Interpretationswillen ist das ein effekthascherisches, ei plumpes oder – unabhängig von den investierten Gedanken der Filmemacher – ein gruselig-gemeines, pessimistisches Ende. Zwar ist Aamirs Tod kein melodramatisches Ende wie das der Liebenden in DIL SE (die freilich in einer großen Motivtradition der leidenschaftlichen Selbstmörder auch im Mittleren und Fernen Osten stehen), doch der es ist trotzdem ein dem populären indischen Erzählen bekannter heroischer Akt der Selbstaufopferung für die Familie und Unschuldigen, für die Gemeinschaft, im weiteren Sinne auch für den Glauben und vor allem: für das indische Vaterland in der Sitte des Bollywood-Kinos als moralische und patriotische Anstalt. Das der Schurke davonkommt, lässt sich bei dieser Tragödie verschmerzen.
Auf der anderen Seite drängt sich hier mehr noch als bei CAVITE die Frage nach der perfiden Rationalität der Terroristen auf. Im US-philippinischen Film bleibt die „Realität“ der Bombe offen (ebenso wie Adam auf erschreckend realistische Weise kein Held). Aamir als suicide bomber ist in AAMIR diegetisch für die Terroristen attraktiv, weil medienwirksam (eben wie er es für das Kino als politisch korrektes Korrektiv und Konter gegen Radikalislamisten ist): ein NRI, ein Arzt aus dem fernen, feinen London, der extra für den gottgefälligen Freiheitskampf heimkehrt und sein Leben gibt – das hat Schock-, Irritations-, zumindest erhebliches Aufmerksamkeitspotential (man kann auch sagen: Nachrichtenwert).
Entsprechend verwundert es, weshalb der Terroristen-Boss Aamir nicht zum Märtyrer wider Willen macht, sondern ihn anweist, den Bus zu verlassen, statt ihn mit den anderen Passagieren in die Luft gehen zu lassen. Ist es da doch eine Rücksichtnahme auf und Achtung eines Glaubensbruders und (wenn auch widerwilligen) Kriegskameraden?
Das Unheimlichste aber für uns als Zuschauer, die wir von AAMIR emotional gelenkt, angesprochen und doch zumindest in Grundzügen abgeholt werden wie von praktisch jedem Spielfilm, ist, dass dies letztlich auf Basis derselben Werte- und Gefühlslogik basiert, die auch Terroristen schamlos ausnutzen – ohne die es sie gar nicht geben könnte. Es ist zwar eine andere, eine meta-narrative Ebene, aber: Ähnlich Adam, der am Ende von CAVITE wieder zum Glauben findet (so wie es wohl sein Folterer intendiert hat, zumindest aber wohl gerne sähe), opfert Aamir für den tragisch-positiven Ausgang, dem man (so noch) dem Massenpublikum zumuten kann, sein Leben für andere und im Namen eines höheren Guts.
Sicher, Aamir tut es aus dem Moment heraus und um Menschenleben zu retten, nicht um sie in einem barbarischen, rein symbolisch-demonstrativen Akt zu zerstören und zu vernichten. Doch diese heldenhafte Selbstaufgabe, die letzte Initiative und der Widerstand des ansonsten bis dahin weitgehend passiven, gelenkten, beherrschten, des nicht zu sich selbst gekommenen „Anführers“ gegen seinen Unterdrücker – dies erscheint doch erschreckend struktur-analog zur Logik von „echten“ Selbstmordattentätern.
Überspitzt gesagt: Der Spielfilm AAMIR samt der Affektpoetik und den Werten des Kinos dahinter lassen Aamir zu einem Märtyrer werden, wie ihn die Terroristen im Film ironischerweise (auch entgegen der herrschenden Terrorismusversatzstücke der populären Imagination) selbst gar nicht haben wollten.
Übrigens:
Auch die IRA in Nordirland griff kurzzeitig auf das menschenverachtende Mittel der "menschlichen Bombe" zurück: 1990 wurden Unschuldige gezwungen, auf britische Straßensperren in Sprengstoff beladenen Fahrzeuge zuzufahren, die per Fernzündung zur Explosion gebracht wurden. Als Druckmittel dienten Angehörige, die sich in der Gewalt der IRA befanden. Diese „Taktik“ war als solches ein „PR-Desaster“, beschädigte Sinn Féin und entsetzte und verschreckte auch härteste Sympathisanten der Republikaner. Letztlich trug sie dazu bei, die Falken innerhalb der Bewegung zu schwächen und jene zu stärken, die den politischen Weg gegenüber dem bewaffneten Kampf favorisierten (vgl. Moloney 2007: 349).
Bernd Zywietz
Quellen:
Bollysite.com: "We have taken the adaptation rights of Cavite for Aamir" - Vikas Bahl
http://news.bollysite.com/bollywood/we_have_taken_the_adaptation_rights_of_cavite_for_aamir___vikas_bahl.html
Moloney, Ed (2007): A Secret History of the IRA. (2. Aufl.). London: Penguin
Rowin, Michael Joshua (2006): Chronicle of a Disappearance – Cavite: An Interview with Neill Dela Llana and Ian Gamazon. http://www.reverseshot.com/article/dela_llana_ian_gamazon
28.12.2011
14.12.2011
TV-TIPP: IN DEN BESTEN JAHREN (ARD)
Am Mittwoch, den 14.12.2011 zeigt die ARD um 20.15 Uhr den eindrucksvoll besetzten Fernsehfilm IN DEN BESTEN JAHREN (Buch u. Regie Hartmut Schoen). Senta Berger und Mathias Brandt, Burkhart Klaußner, Manfred Zapatka und Ellen Schwiers spielen in einem Drama, das sich den "Kleinen Opfern", den "Kollateralschäden" - bzw. deren Angehörigen - des bundesdeutschen Linksterrorismus der 1970er widmet, jenen, die schnell und leicht aus dem Blickfeld der Historie und Öffentlichkeit geraten und die angesichts der politischen Deutungsstreitereien und der empörten bis wohlig-schaurigen Sicht auf die Täter kaum zur Kenntnis genommen werden.
Allerdings stimmt es nicht ganz, was Jens Müller in seiner taz-Kritik zu IN DEN BESTEN JAHREN bemerkt, dass dieser "weniger interessante" Part der RAF-Geschichte auch nicht in den letzten Filmen thematsiert worden wäre: In SCHATTENWELT geht es gerade um eine junge Frau, die an einem ehemaligen Terroristen, dem Mörder ihres Vaters, eines kleinen Angestelltehttp://www.blogger.com/img/blank.gifn, der zur falschen Zeit am falschen Ort war, Rache nehmen, mehr aber die Wahrheit erfahren will.
Und zuvor schon hat Reinhard Hauff mit MESSER IM KOPF (BRD 1978) nicht nur Bruno Ganz als Opfer der Polizei und Terrorismushysterie, dabei als hirn- und körpergeschädigten Pojektionsfläche, Symbolgestalt und politisch wahrhaftigen "Narr", sondern dabei auch die Seite des Polizisten nicht ausgespart, wo eben nicht nur reaktionärer Hass und Post- oder Protofaschismus herrschen, sondern auch Angst um (dank realer Angriffe auf) den eigenen Leib und das eigene Leben. Um einen getöteten Beamten und seine Witwe geht es auch in IN DEN BESTEN JAHREN.
Weitere Besprechung zu IN DEN BESTEN JAHRE finden Sie hier (Hamburger Abendblatt), hier (FAZ), hier (Spiegel-Online); Interviews mit Senta Berger hier (Spiegel Online) und hier (WDR).
29.11.2011
CfP: 10. Workshop des Netzwerks Terrorismusforschung
"Terrorismus und (Inter-)Kulturalität"
Wie hier schon angekündigt, findet der 10. Workshop des Netzwerks Terrorismusforschung am 16. und 17. März in Mainz an der Johannes Gutenberg-Universität statt. Besonders als Co-Sprecher des NTF freue ich mich, diesen "runden Geburtstag" an unserer Filmwissenschaft ausrichten zu dürfen. Diese bildet seit Kurzem zusammen hier am Rhein mit der Theaterwissenschaft und Kulturanthropologie/Volkskunde ein eigenes Institut.
Schwerpunktthema der halbjährlich stattfindenden Veranstaltung ist diesmal "Terrorismus und (Inter-)Kulturalität"; erbeten und gewünscht werden jedoch auch Vortragsvorschläge aus anderen Bereichen der Terrorismusforschung und -prävention.
Den entsprechenden Call for Papers und weitere Informationen finden Sie als pdf-Datei hier auf der Website des Netzwerks Terrorismusforschung.
Das Netzwerk Terrorismusforschung ist ein Zusammenschluss von mittlerweile über 300 jungen WissenschaftlerInnen aus verschiedenen Disziplinen, die sich mit Fragen und Problemen des Themenbereichs Terrorismus und Terrorismusbekämpfung befassen. Es soll Kontakte schaffen und als Forum dienen für Ideen- und Informationsaustausch, zur Vorstellung von Projekten sowie deren gemeinsamer Initiierung, Planung und Realisierung.
Das zentrale Werkzeug ist neben der Website und dem Mailverteiler der halbjährlich stattfindende Workshop. Auf diesem können laufende wie abgeschlossene Arbeiten sowie Projekte präsentiert und diskutiert werden. Das Netzwerk Terrorismusforschung steht darüber hinaus Interessierten aus Medien, Verwaltung und Politik offen und bei Anfragen – z.B. für den Kontakt mit Experten bei spezifischen Fragen – zur Verfügung.
Weitere Information unter www.netzwerk-terrorismusforschung.de
zyw
20.11.2011
Buchtipp: "Die Welt nach 9/11"
Knapp über tausend Seiten ist es stark, das "Sonderheft" Nr. 2/2011 der Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik, das sich, 10 Jahre nach dem 11. September 2001 mit den "Auswirkungen des Terrorismus auf Staatenwelt und Gesellschaft" befasst. Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik der Universität Köln hat den vorzüglichen Wälzer herausgegeben und gliedert ihn in fünf Teile, die teilweise selbst wiederum unterteilt sind:
Im ersten geht es um "Akteure" - zunächst jenen in den USA, wobei hier u.a. die US-Sicherheitsarchitektur beleuchtet wird oder die neuralgische Grenze zu Mexiko oder die Rolle der Neokonservativen. Chistoph Schwarz und Peter Wichmann widmen sich je der Mobilisierungsstrategie von al-Qaida und ihrer Transformation zur globalen Bewegung. Weiterhin wird ein Blick nach Europa geworfen, Lateinamerika und auf den Nahe- und Mittlere Osten, wobei sich beispielsweise Malte Gaier mit dem "Frontstaat Pakistan" befasst.
Teil 2 widmet sich den Internationalen Beziehungen nach 9/11 unter dem Blickwinkel der internationalen Politik oder mit Fokus auf internationale Institutionen (UNO, NATO, EU).
Die letzten drei Teile klingen etwas luftiger: Transformation, Imagination und Spannungen, wobei sich in Teil 3 (eben den zu den "Transformationen") sich u.a. Hartmut Rensen mit dem Schutz der Grundrechte in Deutschland nach 9/11 beschäftigt und Anna Daun mit den Folgen des 11. Septembers für die Nachrichtendienste und deren Ausrichtung.
Teil 4, "Imaginationen" widmet sich den künstlerischen, kulturellen und medialen (Re-)Präsentationen: 9/11 und der Krieg gegen den Terrorismus im Kino (Samuel Rothenspieler), die Berichterstattung über die Anschläge im Fernsehen oder der 11. September in der deutschen Literatur (dazu je ein Text von Jennifer Clare und Michael König).
Teil 5, "Spannungen" lässt sich nicht ganz sauber von den anderen trennen. Auch hier geht es um Fragen des Rechts ("Freiheits- und Bürgerrechte nach 9/11" v. Andreas Busch) oder Medien (die digitale Propaganda der Tat - Andreas Elter u. Stephan Weichert; Kriegsjournalismus - Stephan Weichert, Leif Kramp u. Alexander Maschek - oder mediendiskursive Deutung des 11. September - Susanne Kirchhoff). Im Zentrum stehen hier aber meist Probleme in Form von Konfliken und Dilemmata, die wahlweise als Kollateral- oder Sekundärschäden von Terrorismus und Terrorismusreaktionen zu betrachten sind.
Die Welt nach 9/11. Auswirkungen des Terrorismus auf Staatenwelt und Gesellschaft ist ein in doppelter Hinsicht schwergewichtiger Band zur Analyse des 11. Septemer und mehr noch der Zeit danach. Gerade der (gleichwohl wohltuend eng gezurrte) Disziplin-Mix, der "harte" politische Untersuchungen und Strategieskizzierungen mit fundierten "weicheren" kulturellen Kultur- und Sozialbetrachtungen spannt einen überzeugenden ausgewogenen und sachlichen Bogen, wie ihn andere Bände zum Thema 9/11 oft vermissen lassen. Nicht weil diese einen fachlich engeren Blick wählen, sondern darin, innerhalb ihrer thematischen oder wissenschaftlichen Selbstbegrenzung zwecks Ausreizung des Feldes sich ohne Not und Gewinn zum Obskuren oder Fadenscheinigen hin verführen lassen.
Freilich: Ganz unvoreingenommen ist diese Kritik hier auch nicht, da auch von mir ein Text Jägers Band erschienen ist: In Zur Vorstellung der Gefahr. Terrorismus und Terrorismusspielfilme als Risikokommunikation (S. 741-770) geht einführend es um die Herausforderung des Terrorismus für die Risikokalkulation, -bewertung und -kommunikation sowie um die Frage, inwiefern Spielfilme nicht nur risikokommunikativ, sondern auch terrorismusrisikokommunikativ sein können.
Thomas Jäger (Hg.) (2011): Die Welt nach 9/11. Auswirkungen des Terrorismus auf Staatenwelt und Gesellschaft. (Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik – Sonderheft 2) Wiesbaden: UVK. € 49,95.
Das Buch können Sie HIER einfach und bequem in unserem Amazon-Shop bestellen.
Nächster Workshop des NTF in Mainz
Der Nachteil meiner neuen Stelle bei der Filmwissenschaft in Mainz ist, dass mir in letzter Zeit dieselbige für ein Update dieser Seite gefehlt hat. Der Vorteil ist allerdings, dass nun der passende Rahmen besteht, um den nächsten Workshop des Netzwerks Terrorismusforschung an den Rhein zu holfen.
Im März 2012 soll dieses halbjährlich stattfindende Treffen im Medienhaus im Seminarraum der Filmwissenschaft stattfinden. Schwerpunkt ist "Terrorismus und Kultur", wobei wie üblich auch gänzlich andere Arbeiten, Ergebnisse und Projekte zu anderen Themen der Terrorismusforschung und -prävention möglich und erwünscht sind.
Genaueres bzw. der entsprechende Call for Papers geht demnächst raus und findet sich natürlich auch hier.
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Im März 2012 soll dieses halbjährlich stattfindende Treffen im Medienhaus im Seminarraum der Filmwissenschaft stattfinden. Schwerpunkt ist "Terrorismus und Kultur", wobei wie üblich auch gänzlich andere Arbeiten, Ergebnisse und Projekte zu anderen Themen der Terrorismusforschung und -prävention möglich und erwünscht sind.
Genaueres bzw. der entsprechende Call for Papers geht demnächst raus und findet sich natürlich auch hier.
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Der Extra 3-"Terror-Test"
Das Satiremagazin "Extra 3" des NDR hat letztes Jahr den "Terror-Test" in Berlin gemacht: Wie einfach ist es, öffentliche Sehenswürdigkeiten (und damit potentielle Anschlagsziele) in Berlin auszukundschaften? Mitarbeiter Tobias Schliegl hat dafür das Kanzleramt, das Brandenburger Tor und den Reichstag einmal als Tourist in Mütze und rotem Parker gefilmt - und einmal mit Kopftuch, angeklebtem Bart und traditionellem thawb.
Das Ergebnis sehen Sie hier auf der Website von "Extra 3".
Ob eine Aktualisierung des Tests mit Springerstiefeln und Glatze geplant ist, ist bislang nicht bekannt...
zyw
08.10.2011
RACHIDA
C/O Berlin, International Forum for Visual Dialogues präsentierte begleitend zur Fotoausstellung „unheimlich vertraut. Bilder vom Terror“ und in Kooperation mit dem Babylon Kino eine Filmreihe zum Thema Terror und Terrorismus. Konzipiert hat diese die Filmjournalistin und Kunsthistorikerin Sonja M. Schulz. Am 8. Oktober wurde dort der algerisch-französische Film RACHIDA (2002) von Yamina Bachir-Chouikh gezeigt. Von C/O Berlin eingeladen, hatte ich die Ehre, dazu einen kleinen Einführungsvortrag zu halten. Hier nun der ausführliche und leicht umstrukturierte Text dazu.
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I. Einleitung
Eigentlich sollte am Mittwoch, den 12. Oktober, Wang Bings Film THE DITCH (DAS ERDLOCH/JIABIANGOU) von 2010 über die „Umerziehungslager“ unter Mao die Filmreihe „unheimlich vertraut“ abschließen. Weil dieser Termin jedoch entfallen musste, ergab sich zufällig eine originelle Symmetrie: Am 11. September startete die Reihe mit Gillo Pontecorvos wegweisendem LA BATTAGLIA DI ALGERI (SCHLACHT UM ALGIER) aus dem Jahr. Mit einem weiteren Film zur Gewalt in Algerien schloss sie nun am 8. Oktober – mit Yamina Bachir-Chouikhs RACHIDA von 2002.
Es ist aufschlussreich, stellt man beide Filme einander gegenüber – als zwei Filme zu unterschiedlichen Formen von Terrorismus, in puncto Frauenrolle, aber auch als zwei Werke an unterschiedlichen Punkten der historischen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklung Algeriens. Und nicht zuletzt sind es zwei Filme, die aus einer gegensätzlichen Position heraus und mit höchst unterschiedlichen Perspektiven und Anliegen entstanden.
LA BATTAGLIA DI ALGERI zeigt den Untergrundkampf der FLN (Front de Libération Nationale) in der algerischen Hauptstadt gegen die französische Kolonial- und Militärherrschaft. Von 1954 bis 1962 dauerte der Algerienkrieg, an dessen Ende Frankreich den Maghreb-Staat unter großen Schmerzen nach 132 Jahren notgedrungen in die Unabhängigkeit entließ. Pontecorvos Film entstand auf Betreiben der FLN nach diesem Sieg, ist vor Ort gedreht, mit historischen Kämpfern, die sich – wie Saadi Yacef – praktisch selbst spielen. In und mit LA BATTAGLIA DI ALGERI feiern sich die Gewinner des Freiheitskampfs selbst, es ist ein filmgewordener Gründungs- und Heldenmythos, ein Meilenstein der Kinogeschichte mit seinen dynamischen Schwarzweißaufnahmen im Stil des Neorealismus, aber auch ein Lehrbeispiel in Sachen urbanem Untergrundkampf: Andreas Baader und der Auftragsterrorist „Carlos, der Schakal“ sollen ihn sich, so wird kolportiert, angesehen haben, und das US-Militär nutzte ihn als Anschauungsmaterial, um sich auf die Invasion im Irak vorzubereiten.
RACHIDA ist da ganz (etwas) ander(e)s und steht doch in Beziehung zu LA BATTAGLIA DI ALGERI, nicht zuletzt, weil der RACHIDA sich mit dem unruhigen Land befasst, das Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit aus Algerien geworden ist.
Ein kurzer Blick in die Geschichte: Nach der Unabhängigkeit 1962 kam es zu Machtkämpfen um Personalien und die politische Ausrichtung innerhalb der FLN; Präsident Ahmed Ben Bella, Gründer der FLN, wurde bei einem Putsch von Houari Boumedienne gestürzt. Dessen Nachfolger wurde 1978 Bendjedid Chadli, der angesichts der sozialen Aufstände als Reaktion auf eine daniederliegende Wirtschaft, auf Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit in dem bis dahin sozialistisch orientierten Land Ende der 1980er Demokratisierungsmaßnahmen einläutete. Eine Verfassung trat in Kraft und freie Parlamentswahlen wurden zugelassen. Letztere gewannen 1991 im ersten Durchgang die Islamische Heilspartei (FIS), woraufhin das Militär einschritt, den Notstand ausrief und die FIS verbot. Es folgte ein Bürgerkrieg zwischen Islamisten, vor allem jenen der radikalen, kompromisslosen Groupe Islamique Armé (GIA), auf der einen und der algerischen Armee auf der anderen Seite. In manchen Regionen Algeriens dauert der blutige Kampf bis heute an. Legitimes Ziel für einige der Extremisten ist dabei jeder, der mit Repräsentanten der öffentlichen Herrschaft unter Präsident Abelaziz Bouteflika „kollaboriert“ oder sie unterstützt. Dabei wurde der algerischen Gesellschaft quasi der Krieg erklärt, unter Berufung auf den Apostasie-Vorwurf, also dem Abfallen vom wahren Weg des Islams, so dass das Töten von Zivilisten als eine Art Reinigung der Gesellschaft gerechtfertigt wird. Entsprechend ist es in dem Konflikt zu einer Vielzahl von Morden und grausamen Massakern an der Zivil- und vor allem Landesbevölkerung gekommen, z.B. jenem in Benthalha im September 1997 mit je nach Quelle über 200 Toten. Zum nationalen Kampf gesellt sich neuerdings auch der internationale dschihadistische, zumindest formal: So benannte sich die Splitterpartei Salafisten-Gruppe für Predigt und Kampf (Groupe Salafiste pour la Prédication et le Combat – GSPC), 1998 gegründet, im Jahr 2005 in „Organisation al-Qaida des Islamischen Maghreb“ um und versucht so, den Konflikt mit der algerischen Regierung in einen größeren Kontext zu stellen. Doch auch die Regierungsparteien geraten in die Kritik. So kommt es immer wieder zu Anschuldigungen, die GIA sei vom Militär unterwandert und gelenkt. Und insbesondere die Gräueltaten legitimieren die Regierung und lässt sie im Ausland als notwendiger Garant der Stabilität im Land erscheinen...
II. RACHIDA
Rachida (Ibtissem Djouadi), die titelgebende junge Frau, lebt mit ihrer Mutter Aïcha (Bahia Rachedi) zusammen und arbeitet als Lehrerin in Algier. Zu Beginn des Films sehen wir, wie sie Lippenstift aufträgt, für die Klassenfotos, die an diesem Tage geschossen werden. Rachida trägt moderne westliche Kleidung, Hosen oder knielange Röcke, einen Blazer, das braune Haar offen – keinen hijab. Ihre Kollegin, mit Kopftuch, will nicht mit aufs Foto: Sie wolle deswegen ihre Kinder nicht zur Waisen machen – und sei sie froh, dass ihr Mann sie überhaupt arbeiten lasse.
Kein Problem, ihren Platz im Bild nimmt die Schulleiterin Yasmina ein; und als ihr Rachida die Musik aus ihrem Walkman vorspielt, lacht die eben noch besorgte Erzieherin plötzlich ausgelassen auf. Man hat sich eben arrangiert in Algier, mit den religiös-kulturellen Einschränkungen wie mit den Versorgungsengpässen: Ein Schuhverkäufer preist im Lehrerzimmer seine begehrte Ware an, ehe Yasmina in davonjagt, und daheim warten Rachida und ihre Mutter, bis das Leitungswasser wieder fließt – in der Küche stehen die Plastikflaschen für den nächsten Tag schon bereit. Es ist ein lebendiges Leben, das bei aller Not stattfindet. Auf dem Dach hält ein Nachbar mit einem Stein in der Hand Wache. Gegen Einbrecher oder Radikale? Beides?
Doch die Gefahr ist tatsächlich schon nahe, überall: Rachida wird auf dem Weg von der Schule nach Hause beobachtet, von jungen Männern verfolgt, keine langbärtigen Finsterlinge, sondern hittistes – „unemployed, angry, and idle male members of Algeria’s extremely young population“ (Chakravarty Box 2011, S. 8, Fn. 3). Einer baut eine Bombe, verstaut sie in eine Tasche. Am nächsten morgen fangen sie Rachida ab, umringen sie. Sie soll die Tasche in die Schule mitnehmen. Mit weitaufgerissenen Augen starrt sie die jungen Männer an. Einer davon, so wird später mehrfach erwähnt, ist ein ehemaliger Schüler. Die Männer verfolgen sie in eine Seitengasse, es ist taghell, eine Frau schaut zu. Rachida weigert sich erneut. Die Kinder. Der Älteste zieht langsam eine Pistole aus dem Hosenbund. Rachida schüttelt entsetzt den Kopf. Ein Schuss. Sie stürzt zu Boden. Die Männer stellen die Tasche neben der bewusstlosen Lehrerin und ihrem Walkman ab, wir sehen ihre Füße ohne Eile aus dem Bild gehen.
Ein Bombenkommando entschärft die Bombe, Aïcha eilt herbei, wird zurückgedrängt. Im Krankenhaus dann wartet sie auf dem Flur. Ein Arzt schickt die Mutter mit kühler Autorität im Vorbeigehen nach Hause. Natürlich bleibt sie. In ihrem haïk, dem Ganzkörpertuch, setzt sie sich im Flur auf den Boden und wirkt wie ein archaisches Gespenst in diesem modernen Klinikambiente. Rachidas Verlobter Tahar (Azzedine Bougherra) kommt – mehr verärgert als besorgt. Er hat sowas ja kommen sehen.
Rachida überlebt den Bauchschuss, doch die junge, selbstbewusste Frau ist traumatisiert und grimmig zugleich. Als die Mutter die Fensterläden in ihrem Zimmer öffnet, um das gleißende nordafrikanische Licht und das Leben wieder herein- und zuzulassen, springt sie ärgerlich auf, knall sie wieder zu.
Gemeinsam mit Aïcha verlässt Rachida die Stadt. Yasmina verfügt über ein Haus in einem Dorf auf dem dörren, staubigen Land, dort kommen die Frauen unter. Auch eine Anstellung in der örtlichen Schule besorgt Yasmina Rachida. Doch Gewalt gibt es aber auch hier, allerdings offener, urtümlicher und – man möchte fast sagen: – banaler.
Wenn man Rachida als den Figurentypus der Educator-Heroine herunterbricht (s. Chakravarty-Box 2011), sind die Gewalttäter, die das Dorf unregelmäßig heimsuchen, wie Bullies auf eine Schulhof oder Banditen in einem Western, gegen das Hollywood die Glorreichen Sieben anheuern würde. Am hellichten Tag kommen sie zu dritt, finster dreinblickend, mit Sturmgewehren und Pistolen, gewöhnlicher gekleidet in Jeans und Hemd oder höchstens mit Weste und Stiefeln leicht milizionärisch. Schnellen Schritts kommen sie Straße entlang; die Kinder werden ihnen schnell aus dem Weg gezogen. Im Laden kassieren sie ihren Teil, holen sich Lebensmittel, im Café, bei anderer Gelegenheit, fegen sie die Tische leer, fuchteln mit den Waffen, als ein älterer Mann leise muckst, und kassieren das Schutzgeld.
Später wird der alte Mann tot sein.
Wie in Algier, stehen auch hier nächtens Wachen auf den Flachdächern. Die Jungen sammeln Patronenhülsen, fachsimpeln gar über die Schüsse in der Ferne – um welche Waffe es sich da handeln mag.
RACHIDA erzählt in fast nüchternem Ton und mit mehreren Figuren von einem belagerten Dasein, mit dem man sich auch hier mal mehr, mal weniger arrangiert hat. Hinzukommt eine grundlegende Art Druck für die Frauen, die Regeln und Normen des traditionellen Patriarchats. Auch davon erzählt RACHIDA, und davon, dass beides nicht dasselbe ist.
Die einzelnen Figuren und ihre jeweiligen Geschichten ergeben zusammen jedoch kein Ensemblefilm mit verwobenen Stories und einer in sich distinkten Polyperspektive. RACHIDA ist nicht Robert Altmans SHORT CUTS (1993) oder, in Sachen Terrorismus, der indische MUMBAI MERI JAAN (2008) von Nishikant Kamat. Der Blick in des und des Film(s) RACHIDA ist eher der eines Flaneurs und neutralen Beobachters, der Film durch das Dorf schreitet, sich mal hier, mal da Figuren heraus pickt und lose, unfertige wiewohl in sich komponierte Splitter und Miniaturen der Dorfgeschichte, ausgearbeitet zwar, bedeutungshaft und poetisch konstruiert, trotzdem ausschnitthaft und Teil eines Ganzen. Sachlich ist dieses Kamera-Auge, manchmal auch holprig, aber nie uninteressiert, herzlos oder kühl.
Da ist zum Beispiel der junge Mann, der ein Mädchen – Hadjar – liebt. Ihrem Vater passt das Interesse des Jungen gar nicht, die Tochter ist schon vergeben, und trotzdem lässt sich der Liebende nicht davon abbringen, seine Herzensdame täglich aus der örtlichen Telefonzelle anzurufen, mag sich der Papa noch so aufregen.
Eine andere, tragische Geschichte: die von Zohra (Rachida Messaoui En). Von den Terroristen entführt und vergewaltigt, ist sie nun schwanger zurückgekehrt – und wird als eine, die ihrer Familie Schande gebracht hat, vom Vater verstoßen. Die Frauen der Familie und des Dorfes lassen sie gleichwohl nicht fallen. Mit ihnen begibt sie sich später, vor der Hadjars Hochzeit, traditionell ins Badehaus, wo die Frauen ihren Freiraum haben, offen über ihre Männer lästern können – wohin sich Rachida aber nicht traut: Als Ledige befürchtet sie, ihre Schusswunde, könne für einen Kaiserschnitt gehalten werden. Und auch Zohra verfolgt die Wertregeln bis hinein ins Bad: Wie besessen schrubbt sie ihren blessierten, nun auch von ihr verachteten Körper, dass es einem beim Zuschauen schmerzt. Aïcha redet ihr gut zu, vergebens.
Schließlich, während der Hochzeitsfeier, überfallen die Banditen-Terroristen das Dorf, verwüsten es. Der Film, wie auch sonst fast aufreizend unspektakulär, zeigt das nicht, nur die Folgen am Morgen danach. Die Braut Hadjar haben sie mitgenommen, und der junge Mann, der sie einstverehrte und nicht haben konnte, sitzt am nun in den Trümmern der Telefonzelle schnippt seine Münzen vor sich in den Staub. Und hier findet sich eine zutiefst unheimliche Szene. Wie eine Geistergestalt geht Zohra, die Schwangere, Verstoßene, durch den verheerten Ort, der weniger erscheint, als haben einige Bewaffnete gewütet, denn ein kleiner Krieg. Leichen liegen da, verdeckt unter Tüchern (auch ein Kind), eine Bestattung. Und Zohra, als habe das Schicksal sie gerecht, zeigt für einen Augenblick ein kaltes kleines Lächeln, das einen frösteln lässt.
Rachida aber, die sich zuvor noch mit ihrer Raï-Musik die Furcht aus dem Leib zu tanzen versuchte wie Zohra sich die Schande grob abzuwaschen versuchte, die versteckt anhören muss, dass die lüsterne Verbrecherbande nach ihr Ausschau hält, sie ergibt sich diesmal nicht der Furcht, führt die Kinder zum Unterricht, schreibt an die Tafel, wendet sich um und blickt fest und lange in der letzten Einstellung in die Kamera und ins Publikum.
III. Zur Perspektive in RACHIDA
RACHIDA ist der erste und bislang einzige Spielfilm der 1954 geborenen Regisseurin Yamina Bachir-Chouikh. Zuvor arbeitete sie als Cutterin, dreht danach den Dokumentarfilm HIER… AUJOURD’HUI ET DEMAIN (2010); verheiratet ist sie mit dem algerischen Regisseur Mohamed Chouikh (EL KALAA – LA CITADELLE [1988]). Zu RACHIDA, der im Dezember 2003 von der Evangelischen Filmarbeit als „Film des Monats“ ausgezeichnet wurde und unter anderem den Satyajit Ray Award des London Film Festival 2002 und den Friedensfilmpreis Osnabrück 2003 gewann, sagte sie:
„Ich wollte auf meine persönliche Art ein Zeugnis ablegen von der Situation in meinem Land. Denn es gibt so wenige Bilder. Und die Bilder, die es bereits über dieses Drama gab, die Bilder die es im Fernsehen zu sehen gibt, ärgerten mich, ja sie machten mich richtig wütend. Ich litt mit den Opfern und empörte mich gleichzeitig über die Art und Weise, wie mit ihnen umgegangen wird, mit jenen, die täglich umgebracht werden. Ich wollte von der Alltäglichkeit dessen erzählen, wie die Leute diese ständige Gewalt erfahren. Ich wollte diesen Menschen ein Gesicht geben“ (Bachir-Chouikh zit. n. Wolpert 2004).
Die Gesichter in RACHIDA kann man freilich schnell verwechseln; es fordert ein aufmerksames Sehen, um die Figuren in ihren Verhältnissen zuzuordnen. Das hängt auch zusammen mit der Kamera, die mehr dokumentiert als zeichnet. Diese (man kann angesichts ihres Gestus‘ und der Verbreitung fast sagen) Weltkinosprache ist nicht ohne Finesse oder Effizienz, aber an vordergründiger Eigenästhetik nicht interessiert. Und mehr noch dient sie nicht der und den einzelnen Figurendramen – diese selbst stehen in einem höheren Auftrag: dem, eine Stimmung einzufangen.
Der Film RACHIDA wirkt in seinem Duktus selbst im besten Sinne irritierend, da zugleich empört und gleichmütig in einem. Und so bedrückend die geschilderte Lage ist, so offen erscheinen die Räume und der Film mit seinen Sprüngen und fehlenden Expositionen selbst. Von dem Dorf, in das sich Rachida mit ihrer Mutter zurückzieht, bekommt man keinen topografischen Gesamteindruck. Einzelne verstreute Häuser, breite Wege und Straßen. Aber keine Totale auf das Ganze. Das Leben findet draußen statt, alles ist sonnenhell, in diesem algerischen Hinterland, in dem sich die Gangster-Terroristen in ihrer schrecklichen Natürlichkeit herumtreiben, in der sie kommen und gehen, sich mit dem Militär beharken oder sonst etwas anstellen, wenn sie aus dem horizontal organisierten Bild sind; was genau? – man weiß es nicht und erfährt es nicht. Sie sind einfach da.
Algier ist, so wie so, dieser dörflichen Gegend nicht fern, denn die Räume fließen in RACHIDA ineinander. Einmal fahren Rachida und ihre Mutter in die Großstadt. Unterwegs werden sie fast von den „Rebellen“ gestoppt; aus der Ferne dann sehen die Frauen, wie andere Wagen mit unglückseligen Insassen ihnen in die Falle gehen. In Algier verbringen sie anschließend mit Rachidas Verlobten einen Tag am Meer (an dem Privatstrand eines Hotels?), unbekümmert, in moderner Badekleidung (doch auch hier schwimmt eine Frau im Ganzkörpergewand), in einer Art Parallelwelt.
RACHIDA stört dahingehend unsere Sehgewohnheiten. Wir kennen den Kino-Terrorismus weitgehend als fremdartige, monströse Gewalt, die in den zivilen Alltag hereinbricht wie ein Wesen aus einem Horror- oder Science-Fiction-Film oder aber gebunden an die Heimstädten eines Krisengebiets oder sonstiger Einzelterrains, in dem sich jede Ordnung weitgehend aufgelöst hat, im Irak, in Afghanistan, auf dem Balkan. In RACHIDA ist die Terror-Gewalt auch schrecklich, aber ihrer Absolutheit beraubt. Damit sind auch die Menschen, die zwischen die Fronten der hier nicht näher behandelten permanenten Gefechts geraten, zwar Opfer der Willkür oder Spielball zwischen Repression und Gegenrepression, aber sie sind eben nicht immer und nicht ausschließlich das: Opfer.
Dieses „Nicht-nur“, das Verweigern der Reduktion der Gewalt auf Schockbilder, ohne jedoch Furcht und Schrecken zugleich aufheben zu wollen, ist ins ästhetische, erzählerische Prinzip des Films RACHIDA ganz tief eingeschrieben. Das angelegentliche Ungelenke wie das Elegante in ihrer merkwürdigen Eintracht lässt sich daraus erklären.
Denn manches ist betont, nahezu überdeutlich und gesucht wie beispielsweise die prononcierte frontale Darstellung des Fotokameraobjektivs in Großaufnahme, die beim Klassenfototermin auf die Schüler und die Lehrerin gerichtet ist wie eine Waffe (oder der berühmte male gaze). Ein ausliefernder, verdinglichender Blick, der im finalen entschiedenen Zurück- und Aus-dem-Film-Blicken Rachidas (s)einen Konterpart oder aber: Konkurrenten um die Sehhoheit findet (beide sind schließlich und in letzter Instanz auch auf uns, das Publikum, gerichtet).
Das ist cleveres visuelle Motiv, aber auch – wie der junge Mann in der zertrümmerten Telefonzelle gegen Ende des Films – ausgedacht oder sehr herausgegriffen und insofern ohne viel Feinheit, als der Film sich in seinem kühlen, effizienten Erzählen selbst nicht den Charakter für derartige sinnbildliche Betonungen zugesteht. So erscheint automatisch und zwangsläufig das dargestellte Kameraobjektiv ebenso wie Rachidas finaler Blick als zu lange ausgespielt, und man ist, unberechtigterweise oder angesichts der nur psychologischen Schwerfälligkeit, versucht zu denken: Yamina Bachir-Chouikh mit ihrer Erfahrung als Cutterin hätte es doch besser wissen müssen.
Anderes wiederum erscheint wunderbar unbewusst, en passant gefunden oder einfach von selbst vorhanden wie der immer wieder aufgegriffene Walkman mit seiner „funktionalen“ Bedeutung für die Figuren, die mit seine Symbolik in der Erzählung Hand in Hand geht.
Auch im Krankenhaus findet sich zwar die – hier kraftvoll sinnbildliche, entsprechend inszenierte –, jedoch eben auch wieder „hingesetzte“ oder „frontale“ Mutter Aïcha – daneben allerdings ebenfalls eine unscheinbare und umso mehr bemerkenswerte Einstellung, die sich ganz aus der Haltung des Films und der Kamera gegenüber dem (oder den) Gezeigten ergibt:
Die bewusstlose Rachida wird von Ärzten versorgt. Von beiden sehen wir jedoch nur Details; nicht das Wer, sondern das Was beansprucht die Aufmerksamkeit des Films in diesem Moment. Die Infusionsbeutel werden überprüft, das Schlauchventil geöffnet, der Sitz der Nadel in der Vene kontrolliert. Auf der anderen Seite, am anderen Arm, wird gerade die Blutdruckmanschette fertig angelegt … Die Kamera schwenkt dabei die einzelnen medizinischen „Stationen“ ab, „überquert“ dabei auch Rachidas Oberkörper – ohne aber ihr Gesicht auch nur zu streifen. Erst zuletzt, nachdem das Kontrollgerät eingeschaltet wurde, schwenkt die Kamera ein Stück nach rechts und fokussiert das horizontal „liegende“ Profil der „schlafenden“ jungen Frau.
Man kann diese Blickkonzentration auf unterschiedliche Weise lesen: Dass nach den jungen Terroristen und den Bombenentschärfern einmal mehr über den Körper der Frau von Männer qua deren herausgehobenen Status und ihrer Profession verfügt wird. Ein Körper, der missbraucht werden soll und attackiert wird, der gefährlich oder anfällig und kaputt erscheint (mit Zohra und ihrem Vater, die beide Zohras geschändeten, unreinen und damit nun fremden Körper abweisen, wird der Film diesen „Gedanken“ fortgeführt und ans Traditionelle und Archaische zurückbinden).
So einfach ist es aber dann doch nicht, denn für die Rachida professionell versorgenden Ärzte ist Rachida kein bloßes Ding (und ebenso wenig für die Kamera): Nachdem die Blutdruckmanschette angelegt ist, hebt einer der Ärzte Rachidas Hand kurz an, führt einen Schlauch drunter durch, und legt sie dann, mit einem überraschenden, vorsichtigen Zögern fast zärtlich wieder ab. Auch die Kamera verweilt für einen Sekundenbruchteil länger als nötig auf dieser zerbrechlichen, schönen, ganz menschlichen Hand.
RACHIDA ist mit dieser zurückgenommenen Aufmerksamkeit kein politisch präformiertes Sehen, sondern ein neugieriges phänomenologisches Betrachten. Auch den Vater, der seine Tochter in ihrer Notlage verstößt, macht er nicht zu einem bösen, herzlosen Mann, inszeniert in abfällig oder dergleichen. Stattdessen gesteht sie ihm eine ganz eigene Verzweiflung zu, und was man von den Regeln und Normen um Familienehre und Väter- bzw. Männerdominanz auch halten mag, RACHIDA urteilt darüber nicht. Kein
politisches Programm, kein Bestreben, gesellschaftlich-geschlechtlicher Mechanismen und Ungleichheiten zu enthüllen oder sichtbar werden zu lassen, motiviert das Beobachten des Films RACHIDA, sondern ein eigenständiges Interesse an der gesamten Sphäre des Gewaltopfers, das als solches und in diesem Sinne zwangsläufig zum Objekt wird (der Furcht, der Politik, der Schande, auch der Trauer), ohne jedoch dabei völlig aufzuhören, Mensch und gar Individuum zu sein.
Natürlich klagt RACHIDA auch an, verweist auf fundamentale Missstände, aber nur indirekt. In den einfach nur beobachtenden Momenten und mit dem darin enthaltenen Gestus ist der Film denn auch am vorzüglichsten, gelingt ihm doch ein entscheidender Balanceakt, an dem viele Film zu und über politische Gewalt (wenn auch nur in letzter Instanz) scheitern: sich den Opfern von Terror und Terrorismus anzunehmen, ohne sie in deren Logik und zu einem ähnlichen Zweck zu einem Ding zu machen, auszustellen und auf das reine Opfer-Sein zu reduzieren. Daher wird, bis auf die Attacke auf Rachida, die Gewalt weitgehend und konsequent ausgespart. Was zunächst kein Kunststück ist, doch in RACHIDA, und das ist selten, bekommt man nicht das Gefühl, das damit etwas in der Wahrnehmbarkeit fehle.
Bachir-Chouikh tat dies ganz bewusst:
„Die ganze Situation war so heftig‚ auch so absurd. Hätte ich versucht, die Gewalt auch noch direkt darzustellen, dann hätten die Zuschauer von Anfang bis Ende nur geheult und mit gelitten – das würde aber nicht weiterhelfen. Ich wollte den Menschen, von denen ich erzähle, ihre Würde lassen. Und ich wollte diese Gewalt für den Zuschauer gleichzeitig spürbar machen, wollte dass er sich identifizieren kann. Man muss dazu keine getöteten Menschen sehen. Es gibt andere Methoden, um diesen Grad der Gewalt spürbar zu machen“ (zit. n. Wolpert 2004).
Dass Rachida zum Gegenstand des Blickes wird, wie innerhalb des Films zum Objekt für die Männerwelt und ihre jeweilige „Pflicht“ (und auch die Terroristen im Dorf suchen schließlich nach „Rachida“, sondern „der Lehrerin“), ist unvermeidlich – die Frage ist eben nur, welcher Art der Blick und seine Einstellung ist. Dementsprechend zeichnet RACHIDA nicht die ungewohnte Distanz in der Betrachtung aus, sondern eine bemerkenswerte Blickachse.
IV. Frauenrechte in Zeiten des Krieges
Nicht nur, dass er von der nicht-offiziellen und alltäglichen Situation von „kleinen Leuten“, die in und mit der Gewalt leben, handelt, macht RACHIDA zu einem Gegenentwurf zu LA BATTAGLIA DI ALGERI – einem Film, der einen asymmetrischen Krieg zwar nicht feiert, ihm aber als historischen Erfüllungsauftrag gedenkt: Auch, wenn es um ihre Rollen, Rechte und Positionen der Frauen geht, präsentieren die beiden Filme unterschiedliche Ansichten.
Dass Frauen in Bürgerkrieg und Terrorkonflikten besonders leiden, als Mütter, Schwestern und Ehefrauen, die Kinder, Bruder, Mann verlieren, als Sexualobjekte, die geschändet werden (oder aus Furcht davor, weggesperrt), das ist im Grunde banal, und so gesehen rennt RACHIDA bestenfalls offene Türen ein. Spannend wird es hingegen, verdeutlicht man sich die Situation in den 1990ern und 2000ern als eine Zeit dreißig bis vierzig Jahre nach dem Unabhängigkeitskrieg.
Frauen sind und waren in allen Freiheitsbewegungen symbolisch und taktisch von großer Bedeutung (z.B. in Irland, vgl. u.a. Zywietz 2012). Für die Ehre der Frau oder im Namen der Frau wurde gekämpft – oder die gesellschaftlichen Regeln des Konzepts Weiblichkeit zum eigenen Vorteil genutzt. So zeigt LA BATTAGLIA DI ALGERI, wie sich FLN-Kämpfer in Ganzkörperschleier hüllen, um so unantastbar und unsichtbar vor der Polizei zu entkommen.
Wie in Irland im Cumann na mBan, dem Frauenverband der Irish Republican Army, nahmen freilich auch im Algerienkrieg Frauen aktiv teil, und „[i]t should be mentioned that the women’s movement has been the major component of civil society in Algeria, a status rooted in the legacy oft he Mujaheedatis (Algerian women independence fighters)“ (Cheref 2006, S. 61).
Charakteristisch für Unabhängigkeitsbewegungen über die Ländergrenzen hinweg sind jedoch ebenso die Lippenbekenntnisse für die Emanzipationsforderungen der Frauen bzw. das Vertrösten auf die glorreiche Zeit nach dem Sieg. In Irland spaltete Anfang der 20. Jahrhunderts der Streit, ob die geschlechtliche Gleichberechtigung zugunsten der Realisierung der Republik zurückgestellt oder als gleichranging mit der großen nationalistischen Idee verfolgt werden sollte, die Frauenbewegung. Auch später in Nordirland wurde der Feminismus mit dem Verweis auf ihre Beitragspflicht zur „Sache“ unter daraus abgeleiteten traditionellen weiblichen Rollenbildern begraben.
In Algerien war es nicht anders, wobei hier Frauenrechte überdies zwischen Staat und Islam (beide männerdominiert) zum Verhandlungsgut wurden: Der unter Bouteflicka eingeführte staatliche Algerian Family Code von 1984 schließt Elemente der Scharia mit ein – der Vater der Braut kann die Hochzeit verhindern, auch darf eine Muslimin keinen Nicht-Muslim heiraten. Vor allem wird der Status des Ehemanns als Familienoberhaupt, dem Respekt entgegenzubringen ist, zementiert (vgl. dazu wie zu dem Thema Staat und Frauenrechte im anderen Maghreb-Staaten Charrad 2001). Gegenüber den überlieferten Regeln der Stammestradition war die Bestätigung des Patriarchats zudem ein beschwichtigendes Zugeständnis angesichts der ökonomischen Krisen und politischen Ungerechtigkeiten.
Dieses Verkauftwerden der Gleichstellungsrechte nicht zuletzt deshalb traurig, weil nach der Unabhängigkeit Algerien lange als modernstes Land der arabischen Welt galt. Heute verhüllen sich laut dem Algierer Frauenzentrum CIDDEF neunzig Prozent der erwachsenen Algerierinnen – ein Drittel der Männer würden dies gerne zur Pflicht machen (vgl. Semouri 2011). Dalila Djerbal von Frauennetzwerk „Qussila“ zeigt sich außerdem schockiert von dem Ausmaß der Gewalt gegen Frauen und Kindern – sowie von der großen Anzahl der Frauen, die von ihren Familien verstoßen auf der Straße landen. „Der Frau wird in der patriarchalischen Gesellschaft deutlich zu verstehen gegeben, dass ihr Platz nicht im öffentlichen Raum ist, sondern dass sie zur Reproduktion da ist“ (Djerbal zit. n. Semouri 2011).
Der hijab gilt heute durchaus als etwas, mit dem man sich (notgedrungen?) arrangiert hat: der Schleier als Zugeständnis nicht gegen, sondern für die Freiheit, insofern der Islam verschleierten Frauen einen höheren Stellenwert einräumt (vgl. ebd.). Das Argument hat einen schalen Beigeschmack. In Zeiten des Bürgerkriegs war und ist an Emanzipation dementsprechend noch weniger zu denken, denn nicht nur sind die radikalen Islamisten leicht zu provozieren, es greifen auch die typischen Argumentations- und Beschwichtigungsmuster:
„Zur Zeit des Terrorismus in Algerien haben die Frauen gesagt: Angesichts der Toten und der Bomben ist das jetzt nicht der richtige Moment, um gleiche Rechte für uns einzufordern. Es ging damals ja um Leben und Tod. Aber einige Frauen haben auch damals schon gesagt: Doch, das ist eine prioritäre Frage, denn die Terroristen wollen ja den Frauen ein Lebensmodell aufzwingen, und denen muss man sofort deutlich widersprechen“, so Chérifa Bouatta, Professorin und Direktorin des algerischen PsychologInnenverbands SARP (zit. n. Kempis 2011).
In LA BATTAGLIA DI ALGERI schminke(t)n und (ver-)kleide(te)n sich noch drei Frauen im Dienste der FLN westlich und modern, um so unbehelligt in ihren Taschen Bomben durch die Straßenkontrollen in den französischen Teil der Stadt zu tragen und unter anderem in einer belebten Café-Bar zu deponieren. In RACHIDA hingegen ist es die von sich aus - also selbstbestimmt - westlich, moderne, ungezwungene auftetende Frau, die gezwungen werden soll, eine Bombe in die eigene einzuschmuggeln. Von einem Kampf mit Frauen und für ihre Freiheit, ist eher einer gegen sie und ihre Selbstbestimmung geworden. Berücksichtig man allerdings die historische Realität, mag sich auch der Kampf gegen die Franzosen von dem innerhalb des algerischen weltlichen Staat in vielem deutlich unterscheiden. Frauen als Frauen hatten und haben jedoch in beiden Kriegen, so scheint es, letztlich nichts zu gewinnen.
V. Terror und Terrorismus in RACHIDA
Für Laura Chakravarty-Box ist halbwegs klar, was die Gewalttäter in RACHIDA antreibt:
„The film makes it clear that the terrorists it depicts cherish violence for its own sake. In the Algeria of Rachida, the mosque is a muted voice, and the terrorists are vicious youths who steal, rape, and murder indiscriminately, citing religion as their excuse. The film suggests several ways in which these youths have become what they are. For example, the primary pastime of the little village boys is identifying and trading ammunition shell casings“ (Chakravarty-Box 2011, S. 9/10).
Chancenlosigkeit, Armut, Langweile, eine Ehr- und Männerkultur, all das kann man aus dem Film heraus- oder in ihn hineinlesen. RACHIDA aber selbst hält sich betont zurück. Das ist schade, denn so wird die Gewalt leicht zu einer Art Naturgewalt. Zugleich ist der Film nur konsequent in seiner Verweigerung, der ein dezidierter, moralischer Standpunkt zugrunde liegt:
„Vor allem zu Beginn des Terrors wurde, sobald jemand umgebracht worden war, schon bald von Gründen gesprochen, die vielleicht zu dem Mord geführt hätten. Dies empfand ich fast schon als Entschuldigung für den Mörder und als Beschuldigung des Opfers. Und was die Gründe für die Gewalt angeht, so finden sich Gründe für das Blutvergießen, die im Film auch unterschwellig erkennbar werden. Aber ich habe nicht den ‘Schlüssel’, um diese Barbarei zu verstehen. Ich kann sie nicht verstehen und ich will sie auch nicht verstehen! Denn wenn ich versuchte, sie zu verstehen, versuchte ich damit auch schon, sie zu rechtfertigen. Aber es gibt keine Rechtfertigung dafür, einem anderen Menschen das Leben zu nehmen. Es gibt keine Umstände, die zu beachten sind, wenn sich jemand entschließt, einen Menschen zu töten“ (Bachir-Chouikh zit. n. Wolpert 2004).
Ob Verstehen automatisch gleichbedeutend mit Rechtfertigen ist, ist freilich sehr rigoros und darf bezweifelt werden. Außerdem werden gerade so allzu eilfertige und simple Schlüsse befördert. Denn insbesondere das Patriachat bedeutet hier auf kultureller und sozialer Ebene eine zusätzliche Bedrückung für Frauen in Algerien, und oft ergänzt es den Schrecken und Repression der Terrorgewalt, doch beide sind nicht gleichzusetzen oder auf einen gemeinsamen Kern zurückzuführen. Die Ehre und Herrschaft des Vaters, die Beschützerrolle des Ehemanns oder Verlobten wird vielmehr selbst zunm Ziel, gedemütigt und attackiert. Was Frauen freilich nur noch mehr zum bloßen Unterpfand, zum Bauernopfer und zur Verfügungmasse degradiert. Letztlich aber, und das nimmt den Islam als eine ansonsten oft gehandelte Religion unter Gewaltverdacht wohltuend heraus, werden die Schüsse und Bomben nicht auf Sitten- und Glaubensfragen rückgeführt. Wie einfach das hier geht, ohne dass ein liebgewonnenes Erklärungsmodell fehlen würde, erstaunt und regt zum Nachdenken an. Auch Rachida gerät in Algier nicht wegen ihres liberalen Auftretens ins Visier der Extremisten, sondern in erster Linie aus taktischen Gründen – um die Bombe in die Schule zu tragen. Das Perfide dieses Plans allerdings provoziert an sich schon die Frage nach dem Warum umso mehr, und sei es nur, um die kranke Strategie dahinter eben restlos und endgültig als das von sich zu weisen, was es ist: barbarisch.
Indem Bachir-Chouikh die Bedingungen nicht ausblendet, sich aber ihnen auch nicht weiter annimmt (oder zumindest kein Interesse daran bekundet), belässt sie es bei einer (An-)Klage von Verhältnissen, hinsichtlich deren Veränderung sich außer pauschale Gewaltablehnung, der Apell ans abstrakt Zivilisatorische und Menschliche oder (im Film nicht ausgesprochen, aber immer mit zu bedenken, zumal aufgrund dem Fehlen jedweder aktiv schützender Staatsmacht:) einer autoritäre antiterroristische Kampagne der Härte, keine Lösungs- oder Zukunftsperspektive auftut. Das Heilende und Symbolische des Weiblichen und Mütterlichen allein, das RACHIDA immer wieder inszeniert, wie die Schleier, die die Frauen der gerade aus dem Wald zurück ins Dorf vor ihren Peinigern geflohene Zohra zum Bedecken stiften, scheint zu wenig.
Dass sich vor diesem Hintergrund die Grenzen zwischen Terror und Terrorismus auflösen, macht den Film bemerkenswert, wenn auch die Gründe hinter diesem Auflösen simpel geraten. Terror bezeichnet die Schreckensgewalt von „oben“, zur Festigung oder Durchsetzung bestehender Vormacht, Terrorismus die Provokationsgewalt von „unten“ gegen eine solche (weitgehend staatliche) Herrschaft. In der Hauptstadt Algier agieren die jungen Radikalen noch aus dem Untergrund heraus, die Banditen auf dem Land hingegen haben sich als Terrorherrscher etabliert, kommen und gehen, wie es ihnen gefällt, und sie können das, weil kein gleichwertige bewaffnete Handlungsmacht sich ihnen in den Weg stellt. Warum eben das Militär oder die Polizei keine oder nur eine reaktive, stets verspätete Rolle spielen, ob aus Gleichgültigkeit, einer perfiden Strategie wegen oder aufgrund von Überforderung, greift RACHIDA schlussendlich auch nicht auf.
Zwischen dem urbanen und dem ruralen Algerien mag damit insofern keine Grenze bestehen, als hier wie da Brutalität, Willkür und Furcht zu finden ist. Doch macht es in Erscheinung und Herausforderungen wie auch in der psychologischen und symbolischen Wirkung durchaus einen Unterschied, wo und welcher Art die Gewalt ist, wie sie auftritt und welche zivilen, auch sozialen, Ressourcen und Ordnungsstrukturen ihr gegenüberstehen. In Algier stammen die Gewalttäter aus der Mitte der Gemeinschaft. Ins Dorf hingegen dringen sie quasi von außen ein, werden damit zu Fremden. RACHIDA mag sich vielleicht bewusst einer Antwort versperren, woher sie hier wie da gekommen sind, dass die Räuber-Terroristen aber ehemalige Schüler Rachidas sind oder sein könnten, lässt der Film einen schlussendlich nicht glauben.
VI. Zur aktuellen Lage in Algerien
2006 schrieb Abdelkader Cheref:
„‚Critical Oppositional Women‘ like (die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin – B.Z.) Salima Ghezali and (die Führerin der Arbeiterpartei, Frauenrechtsaktivistin und erste algerische Präsidentschaftskandidatin – B.Z.) Louisa Hanoune and ‚Functional Women Activists‘ like (die Feministin und algerische Kultur- und Kommunikationsministerin – B.Z.) Khalida Messaoudi are viewed by all political players as the symbols of Algeria as a nation – a nation with a schizophrenic identity.
Yet women are organizing in informal social and political associations, looking to their past roles in the revolution for inspiration. But they are not getting any support from traditionalist men and women, and the Algerian government is far more concerned with maintaining its absolute rule rather than economic and sociopolitical progress for all“ (Cheref 2006, S. 80).
Auch 2011 engagierten sich Frauen bei den Demonstrationen im Zuge des „Arabischen Frühlings“, der, von Tunesien ausgehend, so viele Länder erreichte – darunter auch Algerien. Die dortigen Proteste gegen die ständig steigenden Preise oder die ökonomische Perspektivlosigkeit (ein Drittel der Algerier ist arbeitslos, 70 Prozent unter 30 Jahre alt) wurden durch das harte Vorgehen des Militärs klein gehalten. Eine zentrale Forderung erfüllte die Regierung jedoch: die Aufhebung des seit neunzehn Jahren (also seit 1992) geltenden Ausnahmezustands und der entsprechenden Notstandsgesetze – wobei dies, so Adlène Meddi, Chefredakteur der algerischen Wochenzeitung El Watan Vendredi, lediglich ein Propagandatrick der Regierung sei.
„Der größte Unterschied zwischen den soziokulturellen Bewegungen in Algerien und in den anderen arabischen Ländern ist, daß die Algerier traumatisiert sind vom brutalen Bürgerkrieg zwischen Militär und Islamisten in den 90er Jahren. […] Algerien ist ein Pulverfaß, daß jederzeit explodieren kann“ (Meddi zit. nach Lejeune 2011).
Was dabei mit den Frauen in der algerischen Gesellschaft wird, welche Rolle ihnen (wieder) zukommt und ob ihre Freiheitsrechte und Gleichberechtigung einmal mehr von taktischem Wert sind, um hinterher wieder vergessen zu werden?
Wir werden sehen.
Bernd Zywietz
Literatur:
Chakravarty Box, Laura (2011): The North African Educator-Heroine on Film: Yamina Bachir-Chouikh’s Rachida. In: International Journal for Arab Studies, 2. Jg., Nr. 1, S. 1-21. Online unter: http://www.ijasjournal.com/PDF/Article_1_I2.pdf (letzter Zugriff: 30.09.2011)
Charrad, Mounira M. (2001): States and Women’s Rights: The Making of Postcolonial Tunisia, Algeria, and Marocco. Berkeley, CA: University of California Press.
Cheref, Abdelkader (2006): Engendering or Endangering Politics in Algeria? Salima Ghezali, Louisa Hanoune and Khalida Messaoudi. In: Journal of Middle East Women’s Studies, 2. Jg., Nr. 2, S. 60-85.
Kempis, Stefan (2011): Algerien: Das Gesicht der Revolution ist weiblich. Radio Vatikan, 24.02.2011. Online unter: http://www.radiovaticana.org/TED/articolo.asp?c=464927 (letzter Zugriff 30.09.2011).
Lejeune, Martin (2011): „Es ist ein Propagandatrick der Regierung“ . Durch die Aufhebung des Ausnahmezustands in Algerien hat sich die Lage kaum gebessert. Gespräch mit Adlène Meddi. (Aus: Junge Welt, 3. März 2011) AG Friedensforschung, online unter: http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Algerien/ausnahme.html (letzter Zugriff: 30.09.2011).
Semouri, Abida (2011): Verhüllen in der Öffentlichkeit. 48 Jahre Unabhängigkeit haben algerischen Frauen kaum Freiheiten gebracht. (Aus: Neues Deutschland, 8. März 2011) AG Friedensforschung, online unter: http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Algerien/frauen.html (letzter Zugriff: 30.09.2011).
Wolpert, Bernd (2004): „Ich habe nicht den Schlüssel, um diese Barbarei zu verstehen“
Yamina Bachir Chouikh (Regisseurin von "Rachida") im Gespräch mit Bernd Wolpert (EZEF). In: Zeitschrift Entwicklungspolitik, 4 / 2004. Online unter: http://www.gep.de/ezef/index_303.htm (letzter Zugriff: 30.09.2011)
Zywietz, Bernd (2012): Men in Troubles – IRA-Männer und Männlichkeit in Filmen zum Nordirlandkonflikt. In: Sylvia Schraut (Hg.): Terrorismus – Geschlecht – Erinnerung. Münster: LIT.
17.09.2011
Arabisches Filmfestival in Berlin im November
"Araber" und "Arabien" als Terroristen(hort) oder zumindest Stereotyp? Wer mal keinen "westlichen" Blick, sondern eine filmische Eigenreflexion erleben möchte, ist Anfang November in Berlin richtig. Zumal, wenn er sich für die entsprechende Thematisierung des "Arabischen Frühlings" interessiert:
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(Pressemeldung:)
Arabischer Frühling und arabischer Humor in rund 60 Produktionen
ALFILM 11 – Arabisches Filmfestival Berlin findet vom 2.−10. November 2011 statt und präsentiert zum dritten Mal Filme aus der arabischen Welt. ALFILM zeigt rund sechzig Filme aus arabischen Ländern, die sonst kaum auf europäischen Leinwäden zu sehen sind.
Das Hauptprogramm des Festivals legt in diesem Jahr einen besonderen Akzent auf den arabischen Frühling und die revolutionären Entwicklungen in den arabischen Ländern. Der Eröffnungsfilm “18 Days”, eine Kompilation von zehn Kurzfilmen ägyptischer Regisseure bietet sehr unterschiedliche und persönliche Blicke auf das Geschehen in Kairo. Die Dokumentation “Forbidden” (Regie: Amal Ramsis) erzählt von allem, was unter dem Mubarak-Regime in Ägypten verboten war, vom öffentlichen Händchenhalten bis zu Parteigründungen.
Die Sektion FOKUS widerlegt das nach dem sogenannten “Karikaturenstreit” enstandene Vorurteil, Araber seien humorlos. Das Spektrum reicht von den Klassikern der ägyptischen Komödie der dreißiger und vierzigerJahre, Najib ar-Rihani, der vorwiegend mit Stereotypen spielte, und Zeinat Sedki, die oft ältere Jungfern gab, bis zu zeitgenössischen nordafrikanischen Autorenfilmen wie z.B. VHS – Kahloucha (2006) der die Produktion des VHS-Trashfilms “Tarzan gegen die Araber” dokumentiert.
Die Retrospektive ist in diesem Jahr dem libanesischen Kino unter dem Eindruck des Bürgerkriegs gewidmet und präsentiert Filme von Maroun Bagdadi und Bourhan Alaouié. Beide Filmemacher begannen ihre cineastische Karriere zu Beginn des Bürgerkriegs. Gewalt und Brutalität und ihre Folgen für das menschliche Zusammenleben nahm von Anfang an eine zentrale Stelle in den Arbeiten der beiden Filmemacher ein.
Veranstalter von ALFILM sind die Freunde der arabischen Kinemathek, Berlin e.V.. Der Verein ist eine weltanschaulich und politisch unabhängige Vereinigung, die mit dem Ziel gegründet wurde, dem Filmschaffen der arabischen Länder in Deutschland eine Plattform zu bieten und den kulturellen Stereotypen über die arabische Welt mit Bildern und Geschichten aus der arabischen Welt zu begegnen.
Das Programm des Festivals läuft an vier Hauptspielorten: den Kinos Babylon, Eiszeit, Rollberg, und dem Hebbel am Ufer (HAU). Im Rahmen des Festivals werden außerdem arabische Avantgarde-Kurzfilme in der Ifa-Galerie und Youtube-Shorts im Veranstaltungsraum des Restaurants Al Hamra zu sehen sein.
Weitere Informationen erhalten sie unter www.alfilm.de
16.09.2011
Perspectives on Terrorism: Terrorismus in Afrika
Die hochwertige Onlinepublikation Perspectives on Terrorism befasst sich in ihrer neuesten Nummer, einer Doppel- und Sonderausgabe, mit Terrorismus in Afrika. Gastherausgeber sind Jennifer Giroux und James J.F. Forest.
Giroux ist Forscherin im Center for Security Studies, Crisis and Risk Network (CRN) der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich. Ihr Blog finden Sie HIER.
Forest ist Associate Professor an der University of Massachusetts in Lowell, am Department of Criminal Justice and Criminology, Autor von u.a. Influence Warfare: How Terrorists and Governments Fight to Shape Perceptions in a War of Ideas und Herausgeber des dreibändigen Countering Terrorism and Insurgency in the 21st Century: International Perspectives (2007) (sein Blog finden Sie HIER).
Neben Buchrezensionen bietet die Perspectives-on-Terrorism-Ausgabe folgende Beiträge:
Terrorism and Political Violence in Africa: Contemporary Trends in a Shifting Terrain (James J.F. Forest, Jennifer Giroux)
Terrorism in Liberation Struggles: Interrogating the Engagement Tactics of the Movement for the Emancipation of the Niger Delta (Ibaba Samuel Ibaba)
‘Forcing the Horse to Drink or Making it Realise its Thirst’? Understanding the Enactment of Anti-Terrorism Legislation (ATL) in Nigeria (Isaac Terwase Sampson, Freedom C. Onuoha)
Opportunity Costs or Costly Opportunities? The Arab Spring, Osama Bin Laden, and Al-Qaeda’s African Affiliates (Alex S. Wilner)
Al-Qaeda’s Influence in Sub-Saharan Africa: Myths, Realities and Possibilities (James J.F. Forest)
From Theory to Practice: Exploring the Organised Crime-Terror Nexus in Sub-Saharan Africa (Annette Hübschle)
The Paradox of Terrorism, Armed Conflict and Natural Resources in Africa: an Analysis of Cabinda in Angola (Victor Ojakorotu)
Das Beste: Alle Texte sind online zu lesen oder als pdf downloadbar.
Perspectives on Terrorism erscheint in seinem fünften Jahr und wird von Alex P. Schmid herausgegeben.
Hier der Link:
http://www.terrorismanalysts.com/pt/index.php/pot
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