Politologe und Autor von u.a. "Die Neuen Kriege" Herfried Münkler ist - noch - in der ZDF-Mediathek in einem (längeren) Aspekte-Interview zum Thema "Verräter" zu sehen.
In rund dreizehn Minuten spricht er von "guten" und "schlechten" Verrätern, dem typischen David-vs.-Goliath-"Framing", das auf bewährte Weise (nicht aber letztlich unabdingbar) Recht- und Unrechtspositionen zuweist, Sympathie- und Identifikationsangebote bereitstellt. Und davon, dass der Verräter von der Antike bis zum heutigen Hollywood (das, so Münkler, den Verräter brauche) Teil, wenn nicht gar Kern von Erzählungen ist, wie sie, so sei hier abstrahiert, zwischen Fiktion, Mythos und (Wahrnehmungs- oder Medien-)Realität keinen originären Platz mehr behaupten kann oder einzufordern braucht.
Bei allen etwas täppischen Fragen: Nachdenkenswerte kleine Überlegungen und Sichtweisen. Sehenswert. Allein schon wegen der (u.a. historischen) Relativität. Und interessant auch, wie skeptisch sich Münkler gegenüber einem "heroischen" Edward Snowden zeigt: Meist würden sich solche hochachtunggebietenden Verräter als wenig heldenhaft erweisen, sobal erst mal der "Lack" ab sei, so der Politikwissenschaftler zum Ende des Gesprächs hin.
Zuvor schon drückt er sich auf bemerkenswerte Weise um eine Einschätzung des NSA-"Leaker"-Falls: Je nachdem, was die tatsächlichen Motive Snowdens seien und welche Folgen sein Tun haben mögen (vielleicht die Verhinderung eines terroristischen Anschlags verhindern). Bemerkenswert ist dieser, zugestandenerweise interview-schnelle, Schluss, weil er in sich so wenig aufgeht, zum einen die Bewertung einer Tat von dem Charakter des Handelnden abhängig macht, zum anderen auf die Konsquenzen abhebt. Beides aber lässt sich letztlich nicht valide bestimmen oder rekonstruieren, bleiben selbst zuschreibungshaft und werden es bleiben, setzen schließlich die Weltgeschichet neben den Seeleninnenraum eines Individuums.
Durch diese Umlegung der Kriterien in einen recht unzugänglichen Makro- und einen Mikrokosmos rückt die Handlung, Snowdens Verrat, selbst völlig aus dem Blick, verliert jeden Eigenwert, jede Eigenbedingung - eine diskussionwürdige Entwertung. Auch im Sinne einer ethischen Grundbefragung der Situation, zumindest, insofern sie sich einer deontologischen Moralperspektive gänzlich entledigt, ohne sich zugleich ganz auf eine teleologische einlassen zu wollen.
Letztlich also lassen sich hier, durchaus bewusst, zwei "Münklers" nicht zur Deckung bringen: der gelehrte, analysierende, beschreibende und theoretisierende Wissenschaftler, der mit Begriffen mit "Held" im Fall Snowden nichts anzufangen weiß (oder wissen will und darf). Sowie der individuelle Mensch Münkler, dessen Privatmeinung und emotional-moralische Einschätzung nicht für die Kamera ist, nicht für sie taugt, die nicht hin-/hergehört, vor der er vielleicht auch ein Stückweit qua Profession selbst innerlich zurückscheut.
Übringens: es lohnt sich, den Verräter in einen anderen gedanklichen Kontext zu versetzen - was wenn Snowden beispielsweise illegale Foltermachenschaften im "Krieg gegen den Terrorismus" bekanntgemacht hätte ...?
Das Interview mit Herfried Münkler zum Thema "Verräter" finden Sie HIER in der ZDF-MEDIATHEK.
zyw