Nahe Rakka
soll Denis Cuspert alias Abu Talha al-Almani am 16. Oktober 2015 getötet worden sein. So bestätigte es auch Pentagon-Sprecherin Elissa Smith: Zusammen
mit dem Hauptziel, dem libyschen IS-Kommandeur Abu Osman al-Libi, sei er durch
einen US-Raketenangriff auf einen Pick-Up-Truck ums Leben gekommen. Schnell
allerdings folgten Gerüchte, der Ex-Gangsta-Rapper und
Propaganda-Aushängeschild des IS fürs deutsche Publikum, habe einmal mehr (schwer verletzt) überlebt –
einnmal mehr also: schon zuvor war Cuspert für tot erklärt worden.
Nun, Anfang
Dezember, ist ein Video aufgetaucht, das den Verdacht bestätigen könnte,
zwischen unsicherer militärischer-geheimdienstlicher ‚Intelligence‘ und
Mythenbildung sei Abu Talha dem Tod ein weiteres Mal von der Schippe
gesprungen.
Entsprechend sieht die FAZ Zweifel geweckt und verweist dabei auf DIE WELT, die freilich ebenso wenig für den Entstehungszeitpunkt des 13-minütigen Films bürgen kann und mag.
In ihrem Online-Beitrag
heißt es:
„Unklar ist, wann das Video entstand. Zuletzt hatte der IS im April ein Video Cusperts veröffentlicht. Einerseits trägt der neue Clip nach ‚Welt‘-Informationen das Datum ‚Safar 1437 Hijri‘ - das ist der islamische Monat, der vom 13. November bis zum 12. Dezember 2015 reicht. Anderseits werden beispielsweise nicht die Anschläge von Paris thematisiert. Auch spricht Cuspert über einen "Abu Yasir al-Almani", der sich im irakischen Kirkuk in die Luft gesprengt haben soll. Es gab allerdings schon im August 2014 einen Anschlag von einem ebensolchen ‚Abu Yasir al-Almani‘.“
Ob
allerdings das Video Cusperts Ableben widerlegt oder nur widerlegen soll ist
gar nicht so sonderlich interessant. Der Umstand, dass Paris nicht thematisiert
wird, ist eher zu vernachlässigen. Und die Datumsangabe „Safar 1437 Hijri“ ist
weniger Geheimwissen oder journalistische Recherchekunst („nach
‚Welt‘-Informationen“), sondern basiert schlicht auf einer Einblendung in den letzten
Sekunden des Films mit dem (deutschen!) Titel „Die Ritter der Shahada 2 – Abu
Yasir al-Almani“.
Es bleibt aber offen, ob der Zeitstempel sich nun auf
Cusperts Lobpreisung des untertitelgebenden Selbtmordattentäters bezieht,
auf dessen ‚Märytrer‘-Operation oder schlicht die Fertigstellung der Kompilation
der drei Teile (Cusperts Rede, der auf einer Parkbank in
Flecktarnjacke und mit Pakol auf dem Kopf und mit einem Schimmel im Hintergrund den vermeintlich Solinger
Kriegsgefährten ehrt / die letzten Worte und Verabschiedung des
Suizid-Kommandos / die dunklen Aufnahmen der Explosion in der Ferne).
Der Vorgänger-Film, „Die Ritter der Shahada 1 – Abu Abdullah al-Almani“ (schon bei der Veröffentlichung Mitte Juni mit Durchnummerierungs-„1“, was den Vorabplan einer Videoreihe über deutsche Selbstmordattentäter nahelegt), kam jedenfalls noch ohne Cuspert aus.
Der Vorgänger-Film, „Die Ritter der Shahada 1 – Abu Abdullah al-Almani“ (schon bei der Veröffentlichung Mitte Juni mit Durchnummerierungs-„1“, was den Vorabplan einer Videoreihe über deutsche Selbstmordattentäter nahelegt), kam jedenfalls noch ohne Cuspert aus.
Cuspert im Anfang Dezember 2015 veröffentlichten Furat-Media-Video "Die Ritter der Shahada 2 - Abu Yasir al-Almani" |
Doch der WELT-Artikel ist nicht korrekt – und damit wird es interessanter – mit seiner Aussage, Cuspert sei zuletzt im April in einem Video des IS aufgetreten.
Gemeint mit diesem April-Auftritt ist offenkundig der
Clip „Fisabilillah“, den ich in meinem
Beitragin DIE KRIMINALPOLIZEI kurz beschrieben habe. Danach jedoch war Cuspert noch zumindest in
einem 32-minütigen Video des „Wilayat Kavkaz“ (Region oder Provinz „Kaukasus“) des IS zu sehen: In dem russischen Video kommt er neben
daghestanischen Jihadisten auf Deutsch (entsprechend
russisch untertitelt) zu Wort, beschwört die Solidarität mit der
Kaukausus-Fraktion und ruft dazu auf, sich dem IS und seiner Gemeinschaft
anzuschließen.
Bemerkenswert ist nun, dass nicht wie sonst die
sich ans „Ausland“ richtende IS-Propaganda-Abteilung al-Hayat Media Center (in deren Videos
Cuspert auch bislang hauptsächlich auftrat), sondern die russischsprachige Furat („Euphrat“) Media dieses Video produzierte. Und unter dem Furat-Media-Label
sind auch die beiden deutschsprachigen „Ritter der Shahada“-Videos entstanden
bzw. veröffentlicht. In Charlie Winters
Untersuchung der IS-Propaganda (The Virtual ‘Caliphate’: Understanding Islamic State’s Propaganda Strategy,
Quilliam) bzw. der darin enthaltenen Übersicht der Medienabteilungen (S. 14) ist
Furat Media selbst noch gar nicht aufgeführt. Kein Wunder,
denn im selben Monat, Juni 2015, da Winters Studie erschienen ist, trat Furat
Media erst auf die Bildfläche. Das von Abu
Jihad alias Islam Seit-Umarowitsch Atabijew (Stellvertreter des Georgiers Omar al-Schischani, dem hochrangigen IS-Militärführer) gegründete „PR“-Department hat – wie die
Nordkaukasus-Brigade im IS-Verbund – in den vergangenen Monaten enorm an
Bedeutung im Propagandaensemble des IS gewonnen (siehe dazu die Beiträge der
britischen Bloggerin und Journalistin Joanna
Paraszczuk HIER
und HIER).
Cuspert (2. v. l.) im Furat-Media-Rekrutierungsvideo "Rejoice In The Deal You Have Secured", veröffentl. im August 2015 |
Dass nun Furat Media und nicht das bislang
so dominante al-Hayat Media Center Cuspert in Szene setzt und dazu komplett
deutsche Videos produziert ist eine Merkwürdigkeit, die zu Überlegungen und
auch Spekulationen einlädt. Diese können von einer Reaktion der
Propaganda(systemstruktur) des IS auf die russische Intervention in Syrien über
einen sich abzeichnenden Relevanzverlust des al-Hayat Media Centers bzw. eines Konkurrenzkampfes bis zu
einer besonderen Allianz zwischen den deutschen und nordkaukasischen Fraktionen
zumindest in der Medienarbeit des IS reichen. Auch was Abu Talha al-Almanis /
Cusperts Rolle im al-Hayat Media Center anbelangt, stellen sich so zurzeit
einige Fragen: Wurde er von al-Hayat an Furat quasi ausgeliehen; war er doch wenigstens so hochrangig, dass er die deutsche Propaganda zum teil- und zeitweise zu Furat Media verlagert hat?
Vorausgesetzt natürlich, dass Cuspert noch lebt. Wobei die
Veröffentlichung von „Ritter der Shahada 2“ bzw. Abu Talhas Einsatz darin so oder so
strategisch komplexer in seiner Bedeutung ausfällt als es lediglich der Blick auf die wundersame oder
medial vorgetäuschte Wiederauferstehung (als Beruhigung der Fans oder Verhöhnung des ihn vielleicht einmal mehr zu
eilfertig abschreibenden Westens) nahelegt.
zyw