04.02.2013

Merkel in Gefahr?

Ein Beispiel für die Verführungskraft des Extremismus

Dass Terrorismus und die Medien ein symbiotisches Verhältnis pflegen, wird gerne eindrucksvoll, wenn auch womöglich vorschnell oder pauschalisiert behauptet. Zumindest aber lässt sich sagen, dass so manche Medien nur zu gerne, und gerne zu reißerisch, über Extremisten berichten. Ein aktuelles Beispiel liefert Spiegel Online bzw. Spiegel TV (am 3. Februar 2013).  
Terror-Video gegen die Kanzlerin: ‘Wir wollen Merkel und Obama tot sehen‘“ betitelt das Nachrichtenportal aufmerksamkeitswirksam seinen Link auf einen durchaus sehenswerten siebenminütigen Beitrag der Netzfernsehschwester (www.spiegel.tv/filme/bedrohungsvideo-merkel/)

Anmoderation es Beitrags "Terrorvideo bedroht Merkel", Spiegel TV
Die Anmoderation erfolgt vor einem Bild der Bundeskanzlerin im Fadenkreuz. Im folgenden Bericht, in dem unter anderem auch BKA-Chef Ziercke zu Wort kommt und der zwei bekannte Aktivisten vorstellt, entpuppt sich das „Terrorvideo bedroht Merkel“ aber als leicht überzogen. In einem unter anderem auf YouTube zu findenden deutschsprachigen Dschihadisten-Kampflied (Naschid) der Globalen Islamischen Medienfront. Unter dem Titel „Die Ummah“ (Gemeinschaft) heißt es in einer Strophe, „Wir wollen Merkel und Obama tot sehen“. Das ist nun, gelinde gesagt, alles andere als okay, ist jedoch wohl kaum genug für ein „Terror-Video“ –  keines jedenfalls, das die direkte „Ankündigung“ eines Attentats, etwa als direktes gerichtetes Statement von Extremisten zwecks Einschüchterung oder Erpressung, darstellt, wie es von Spiegel Online und Spiegel TV bereitwillig impliziert wird. 

Dessen ungeachtete bietet der Beitrag von Thomas Heise jenseits von Panikmache ein bedenkliches Bild über die Umtriebe (und Wirrheit) von Islamisten, nicht nur in Deutschland. Die Hetze im Netz stehe im Zusammenhang mit „al-Qida-nahen syrischen Rebellen“. Videomaterial von diesen – ebenfalls im Netz zu finden – wird eingespielt: Ein Mann (mit unkenntlich gemachtem Gesicht) auf einem Laster mit Bomben auf der Ladefläche, dann eben jener Mann, der seine Selbstmordbotschaft in die Kamera spricht, sich Gott anempfiehlt. Und schließlich, aus der Entfernung gefilmt, wie der LKW (in einer Wohnanlage? auf einem Kasernengelände?) in einem riesigen Feuerfall detoniert. Dreimal schnell aufeinanderfolgend wird das in dem Propagandafilm gezeigt – und im Beitrag. Kommentar: Die dschihadistische Video-Gruppe schlachte den Anschlag maximal aus, zeige die von verschiedenen Kameras gefilmte Explosion gleich mehrmals. 

Ziel von Spiegel TV ist sicher nicht die Radikalisierung, wie der Sprecher die Absicht der Dschihadisten erläutert. Aber auch das investigative Medium kann sich, trotz oder gerade wegen (bzw. in) seiner Position als neutraler Berichterstatter, als scheinbar sachlicher „Zitierer“, der Faszinationskraft der Anschlagsbilder, mit Blick eben auf sein Publikum, nicht entziehen.

Nicht, dass sich Spiegel TV mit den Propagandisten damit automatisch und rundheraus gemein machen würde. Aber man kann beim Betrachten des Fernsehbeitrags für einen kurzen Moment durchaus in die Bredouille kommen, nicht zu wissen, welchem der beiden Filme (oder: Repräsentationsebenen) das wiederholte Zeigen der Explosion nun zuzuschreiben ist … 

zyw