(Teil I: Einleitung HIER)
In Washington D.C. stürmten Anhänger einer obskuren radikalislamistischen
Sekte unter Führung von Khalifa Hamaas Abdul Khaalis, geboren als Ernest McGhee
im Bundesstaat Indiana, drei Gebäude. Im District Building nahe des Weißen
Hauses, im Islamic Center of Washington sowie im Hauptquartier der jüdischen
Organisation B’nai Brith nahmen die Bewaffneten 134 Menschen als Geisel und
erschossen den 24-jährigen Radioreporter Maurice Williams. Nicht zuletzt durch
die Intervention des ägyptischen, des pakistanischen und des iranischen Botschafters,
gaben die Geiselnehmer nach 39 Stunden schließlich auf.
Einer der vorgeblichen Anlässe zu dieser terroristischen Aktion war ein
Spielfilm, der sich mit dem Leben und Wirken des Propheten Mohammed befasst –
ein Film, den sich jeder von uns frei im Internet herunterladen oder als Stream
anschauen kann. Der Film wurde von Khaalis und seinen Gefolgsleuten als
blasphemisch betrachtet; eine ihrer Hauptforderungen war seine Vernichtung.
Falls Ihnen dieses spektakuläre wie tragische Ereignis entgangen sein
sollte, liegt das womöglich daran, dass besagte Geiselnahme Anfang März
stattfand – im Jahr 1977. Der Film, um den es, zumindest teilweise, ging, war
auch kein relativ günstig, in einem undurchsichtigen Umfeld produzierter
Streifen, der seinen Weg via YouTube in die weite Welt fand wie THE INNOCENCE
OF MUSLIMS, sondern um mit zehn Million US-Dollar Produktionskosten damals recht
teures Kino-Epos mit dem (anfänglichen) Titel MOHAMMED, MESSENGER OF GOD (dt. MOHAMMED, DER GESANDT GOTTES) – zu
finden heute nicht nur als DVD etwa bei Amazon, sondern auch in der Moving image collection des gemeinnützigen „Internet Archive“ (www.archive.org).
Produziert und inszeniert hat den dreistündigen Kostümfilm über die Anfangszeit des Islam Moustapha Akkad der 1930 im syrischen Aleppo geboren wurde. In den USA arbeitete Akkad als Assistent des Regisseurs Sam Packinpah, später beim Fernsehen, um schließlich ein Herzensprojekt zu verwirklichen: die Geburtsgeschichte des Islams nicht zuletzt aus Gründen der interreligiösen Verständigung mit Mitteln des Hollywoodkinos auf hohem technischen Niveau zu erzählen. Gerade die Qualitätsfrage war insofern von Belang, da Kino (wie später das Fernsehen) in Ländern des Nahen Osten von zweifelhaftem Ruf war (sei es der Inhalte wegen, sei es aufgrund der Lage der Filmtheater in anrüchigen Vierteln der Städte) und damit nicht zuletzt ästhetisch ungeeignet für die Behandlung religiöser Themen.
Akkads Filmprojekt förderte die arabischen Liga, Geldgeber waren neben dem Libanon und Kuwait vor allem Gaddafis Libyen, das mit Ägypten 1977 einen kurzen Grenzkrieg führte; insbesondere die libysche Partizipation sorgte für Spannungen, doch war das Geld aus Tripolis die Rettung, das während des Drehs die Finanzierung eingebrochen war. Gedreht wurde MOHAMMED, THE MESSENGER OF GOD in Libyen und Marokko, in einer englischsprachigen Fassung mit den Stars Irene Papas und Anthony Quinn (als Mohammeds Onkel Hamsa) sowie eine mit arabischen Darstellern in als entsprechende Sprachversion. Die – später Oscar-nominierte – Musik komponierte Maurice Jarre, der schon zuvor für die Untermalung von groß angelegten Historienfilmen zuständig gewesen war, etwa David Leans berühmte Pasternak-Adaption DOKTOR ZHIVAGO (1965) – und natürlich sein monumentaler LAWRENCE OF ARABIA (1962).
Produziert und inszeniert hat den dreistündigen Kostümfilm über die Anfangszeit des Islam Moustapha Akkad der 1930 im syrischen Aleppo geboren wurde. In den USA arbeitete Akkad als Assistent des Regisseurs Sam Packinpah, später beim Fernsehen, um schließlich ein Herzensprojekt zu verwirklichen: die Geburtsgeschichte des Islams nicht zuletzt aus Gründen der interreligiösen Verständigung mit Mitteln des Hollywoodkinos auf hohem technischen Niveau zu erzählen. Gerade die Qualitätsfrage war insofern von Belang, da Kino (wie später das Fernsehen) in Ländern des Nahen Osten von zweifelhaftem Ruf war (sei es der Inhalte wegen, sei es aufgrund der Lage der Filmtheater in anrüchigen Vierteln der Städte) und damit nicht zuletzt ästhetisch ungeeignet für die Behandlung religiöser Themen.
Akkads Filmprojekt förderte die arabischen Liga, Geldgeber waren neben dem Libanon und Kuwait vor allem Gaddafis Libyen, das mit Ägypten 1977 einen kurzen Grenzkrieg führte; insbesondere die libysche Partizipation sorgte für Spannungen, doch war das Geld aus Tripolis die Rettung, das während des Drehs die Finanzierung eingebrochen war. Gedreht wurde MOHAMMED, THE MESSENGER OF GOD in Libyen und Marokko, in einer englischsprachigen Fassung mit den Stars Irene Papas und Anthony Quinn (als Mohammeds Onkel Hamsa) sowie eine mit arabischen Darstellern in als entsprechende Sprachversion. Die – später Oscar-nominierte – Musik komponierte Maurice Jarre, der schon zuvor für die Untermalung von groß angelegten Historienfilmen zuständig gewesen war, etwa David Leans berühmte Pasternak-Adaption DOKTOR ZHIVAGO (1965) – und natürlich sein monumentaler LAWRENCE OF ARABIA (1962).
Viel Interessantes gibt es über den Film zu erzählen, nur zwei Punkte seien hier herausgegriffen. Zunächst den der Reaktion: Beim westlichen Publikum stieß der Film eher auf Desinteresse, während er für Muslime, sowohl im Westen wie im Osten, zu einer Cause célèbre wurde. Zwar hatte sich Akkad um möglichsten Respekt gegenüber dem Stoff und um Rückhalt bemüht, was im Vorspann des Films mit einer entsprechenden Einblendung, quasi als Zertifizierung der Unbedenklichkeit oder wenigstens Statthaftigkeit, ausgewiesen werden sollte:
Doch in Ägypten selbst
war der Film nicht zu sehen, und ob die Azhar-Universität tatsächlich ihr
„Okay“ gab, ist mehr als zweifelhaft. Als MOHAMMED, THE MESSENGER OF GOD schließlich
aufgeführte wurde (nur in wenigen Ländern im Nahen Osten; oftmals in kleinem
Kreis; später erfolgte die Verbreitung über Videokassetten), kam es zu
Protesten – auch in Deutschland, wo der
Film zeitweilig oder ganz aus dem Kinoprogramm genommen wurde. In London fanden
nach Bombendrohung weitere Aufführungen unter verstärkten Polizeischutz und
-kontrollen statt.
So heißt es etwa im 65.
Vers: „Und wenn du sie fragst, werden sie ganz gewiß sagen: „Wir haben nur
(schweifende) Gespräche geführt und gescherzt.“ Sag: Habt ihr euch denn über
Allah und Seine Zeichen und Seinen Gesandten lustig gemacht?“ (zit. n. Islam.de). Es geht dabei
um Heuchler (munaafiquun), die – laut Vers 66 – ungläubig in und durch ihrer
Spötterei geworden sind.
Al-Kattanis Schlussfolge
von der Darstellung als Nachahmung und der Nachahmung als Verspottung gemahnt in
ihrer Prämisse und Logik an Platons Bilder- und Mimesiskritik – und verurteilte
nicht nur die Schauspieler als Imitatoren, sondern erstreckte sich auch auf
alle an der Filmproduktion Beteiligten und Anwesenden (al-Kattani bezog sich
nicht explizit auf Akkads Film, dass es ihm – auch – um diesen ging lag
freilich auf der Hand) – und auch die „Herstellung von Bildern“ der Kaba, des
Grabes oder der Gefährten des Propheten, oder Mekkas und Medinas (vgl. ebd., S.
42 f.).
Neben der Entstehungsgeschichte von MOHAMMED,
MESSENGER OF GOD / THE MESSAGE und den Reaktionen, ist der Film aber auch
formalästhetisch interessant. Zwar wurde er als eine Art typischen
„Historienschinken“ abgetan. Doch was ihn von solchen deutlich unterscheidet,
ist die durchaus illusionsbrechende Darstellung des Propheten Mohammed. Oder
genauer gesagt: die betonte NICHT-Darstellung. Tatsächlich ist Mohammed im Film
nicht zu sehen: In den meisten Szenen tritt er nicht auf, und in jenen, in
denen er tatsächlich im filmischen Raum anwesend ist, nimmt die Kamera meist des
Propheten visuellen Standpunkt ein, repräsentiert seinen Blick als Point-of-View-Shot,
sprich: versetzt den Zuschauer an die Position und imitiert die optische
Perspektive des Gesandten.
Dabei wird der Blick der mit ihm interagierenden Personen dicht an der Kamera vorbeigeführt oder direkt in diese gerichtet (und damit die sogenannte „vierte Wand“ zum Publikum hin) durchbrochen, was diesem seine Position als Zuschauerposition besonders bewusst macht. In einer Szene, in der es seinen Onkel Hamsa in den Krieg drängt, erheben „wir“ uns gar, bewegen „uns“ also mit (oder „als“) Mohammed. Zugleich hören zwar seine Gesprächspartner (die entsprechend darauf reagieren, beispielsweise, indem sie antworten), nicht aber wir als Zuschauer Mohammeds Worte. Untermalt werden die Szenen mit ihm durch sphärische Klänge – die eine Art göttliche Präsenz oder zumindest spirituelle Aura impliziert.
Was THE MESSAGE betrifft: Im September 2012 zeigte
ihn im indischen Teil Kaschmirs das Militär für die – in der Mehrheit
muslimischen – Bevölkerung. Prompt kam es zu Protesten und Ausschreitungen:
Angesteckt durch die aufgeheizte Stimmung im nahen Pakistan, wohl aber auch
gezielt provoziert hatten viele geglaubt, es handele sich um den skandalösen
THE INNOCENCE OF MUSLIMS, der international so viel Aufsehen erregte.
Bernd Zywietz
Weitere Literatur:
- 'The Message': The Movie About Islam That Sparked a Hostage Crisis in D.C. In: The Atlantic. (HIER)
- Mohammed oder Von Mekka nach Hollywood. Der Spiegel, 31/1977 (HIER)
Dabei wird der Blick der mit ihm interagierenden Personen dicht an der Kamera vorbeigeführt oder direkt in diese gerichtet (und damit die sogenannte „vierte Wand“ zum Publikum hin) durchbrochen, was diesem seine Position als Zuschauerposition besonders bewusst macht. In einer Szene, in der es seinen Onkel Hamsa in den Krieg drängt, erheben „wir“ uns gar, bewegen „uns“ also mit (oder „als“) Mohammed. Zugleich hören zwar seine Gesprächspartner (die entsprechend darauf reagieren, beispielsweise, indem sie antworten), nicht aber wir als Zuschauer Mohammeds Worte. Untermalt werden die Szenen mit ihm durch sphärische Klänge – die eine Art göttliche Präsenz oder zumindest spirituelle Aura impliziert.
Unabhängig davon, ob tatsächlich von einem Abbildungsverbot im Islam
ausgegangen werden kann, wie weit und wie streng dieses in den einzelnen
Glaubensrichtungen und ihren Schulen ausgelegt und verfolgt wird, ist es ein
bildtheoretisch und -philosophisch spannende Frage, ob die zeitgleiche An- und
Abwesenheit des Propheten (im Kunstwerk und im Off) Kritikern wie al-Kattani
Grund zur Klage geben würde. Wie ist es zu bewerten, dass zwar der Prophet zwar
nicht gezeigt wird, dafür aber die Kamera und letztlich das Publikum selbst
sozusagen an dessen Stelle tritt? Ist dies letztlich nicht gar frevelhafter? Klar
wird hier jedenfalls, dass qua formal- und rezeptionsästhetischer Konstruktion
des filmischen und diegetischen Raums und, zugleich, seiner immersiven
Auflösung die Kunst- und Ausdrucksform Film anders zu denken und zu behandeln
ist als die klassische der Malerei (zumindest, wie sie hier
historisch-stilistisch und konventionell-symbolisch von Belang ist). Wie ließe
sich dieses Blick-, Positions- und Adressierungsverhältnis auf traditionellen
Gemälden, Wandteppichen etc. in vergleichbarer Weise denn auch nachbilden?
Moustapha Akkad drehte übrigens mit Anthony Quinn und weiteren Stars noch
LION OF THE DESERT (1981) über den libyschen Befreiungskampf des Umar
al-Muchtar gegen die Kolonialherrschaft des faschistischen Italiens. Bekannt
wurde er zudem durch den Erfolg des von ihm Produzierten wegweisenden
Horrorfilms HALLOWEEN von John Carpenter (sowie den Fortsetzungen). Am 11.
November 2005 war er zusammen mit seiner erwachsenen Tochter Rima Akkad Monia
im jordanischen Amman, um an einer Hochzeit teilzunehmen, als – vermutlich al
Qaida im Irak – einen Bombenanschlag auf das Hyatt-Hotel verübten, in dem die
beiden weilten. Akkads Tochter war sofort tot, er selbst erlag drei Tage später
seinen Verletzungen. Er wurde 75 Jahre alt; bis zuletzt plante er noch einen
Monumentalfilm über das Leben Saladins und die Kreuzzüge.
Bernd Zywietz
Weitere Literatur:
- 'The Message': The Movie About Islam That Sparked a Hostage Crisis in D.C. In: The Atlantic. (HIER)
- Mohammed oder Von Mekka nach Hollywood. Der Spiegel, 31/1977 (HIER)